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Meinung: Garantie fürs Leben

Die Festschreibung eines Mindest-Rentenniveaus könnte mehr Vertrauen schaffen

Von Gerd Appenzeller

Ist das der erste Schritt in den Rückfall bei allen Reformbemühungen? Gerät, nicht einmal eine Woche nach dem angekündigten Rücktritt des SPDVorsitzenden, die ganze Agenda 2010 ins Rutschen? Die ersten Meldungen über einen rot-grünen Konsens zu Nachbesserungen bei der Rentenreform ließen das befürchten. Denn Nachbesserungen kann nach allen Erfahrungen mit dieser Bundesregierung nur zweierlei bedeuten: Entweder war wieder einmal ein Reformvorhaben mit so heißer Nadel gestrickt, dass handwerkliche Fehler beseitigt werden mussten – oder die Betroffenen haben derartig laut protestiert, dass auf die schmerzenden Stellen dringend weiße Salben aufgetragen werden, die Einschnitte weniger tief ausfallen mussten.

Bei der angestrebten Festlegung eines bestimmten Mindestniveaus der Alterssicherung aber geht es um etwas anderes – um Vertrauensschutz und darum, dem ganzen System der beitragsfinanzierten Rente ein Mindestmaß an Akzeptanz zu verleihen, wenn man sich schon langfristig nicht ganz von ihm trennen will.

Dass das Rentenniveau insgesamt weiter sinken wird, ist unausweichlich. Vor 45 Jahren konnte ein angehender Rentner, der 45 Jahre Beiträge gezahlt hatte, mit einer Rente rechnen, die etwa 67 Prozent seines Nettogehalts betrug. Dann aber bekamen die Deutschen immer weniger Kinder, es gab also immer weniger Beitragszahler. Das Rentenniveau musste sinken. Wegen immer neuer Ausweitungen der Regeln wuchs der Zuschussbedarf. Die Arbeitslosigkeit tat ein Übriges. Die Rentenversicherer wären froh, wenn sie künftig nach 45 Beitragsjahren auch nur ein deutlich niedrigeres Niveau erreichten, dies aber immerhin garantieren könnten. Das bedeutet: Wer nicht zusätzlich vorsorgt, wird unter Altersarmut leiden.

Wenn in dieser Situation den Zwangs-Beitragszahlern nicht ein bestimmtes Rentenniveau zugesichert wird, gibt es eigentlich keinen Grund, in diesem System noch etwas anderes zu sehen als ein riesiges Loch, in dem gutes Geld auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Wo findet man denn schon eine Versicherung, die immer nur kassiert, sich aber zu sagen weigert, was sie einmal leisten wird? Gegen eine solche Fesselung müsste man sich eigentlich durch eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wehren.

Die Zusicherung eines Mindestniveaus ist freilich an Voraussetzungen gebunden – eine kontinuierliche Entwicklung der Beiträge, eine längere Lebensarbeitszeit oder einen höheren Staatszuschuss. Letzteres wäre dann ein verdeckter Einstieg in eine Bürgerversicherung, denn Steuern zahlen ja alle, auch Selbstständige und Beamte, die sich an der Rentenversicherung selbst ja bislang nicht beteiligen.

Das alles wird also nicht billiger, aber kalkulierbar werden. Und das muss sein. Denn wenn man überhaupt nicht weiß, wie hoch die staatliche Rente sein wird, kann man die private Vorsorge nicht angemessen dimensionieren. Vor allem aber: Wer zahlt, muss wissen, wofür.

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