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Saba Farzan ist deutsch-iranische Publizistin und Head of Iran Research des Mideast Freedom Forum Berlin.

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Gastbeitrag: Das iranische Regime kämpft gegen sich selbst

Nie waren die Machthaber untereinander so zerstritten wie jetzt. Wie auf einem Silbertablett liegt diese Diktatur bereit, endlich Geschichte zu werden.

Im Rückblick lässt sich recht einfach feststellen, warum und zu welchem Zeitpunkt Diktaturen zusammenbrechen. Viel schwieriger sind dagegen Vorhersagen, wenn ein diktatorisches Regime noch an der Macht ist. Kompliziert sind solche Vorhersagen auch im Fall des Iran, aber sie sind nicht unmöglich. Oberflächlich betrachtet ist das Regime seit Beginn der Freiheitsbewegung an der Macht geblieben, aber die entscheidende Frage hier lautet: Wie hat es sich an der Macht gehalten? Und wie stabil ist es heute noch?

In ihrer bereits zu lange währenden Geschichte hat die islamistische Diktatur Krisen erlebt, die sie durchaus an den Rand des Kollapses geführt haben. Trotzdem kam es nie zum Zusammenbruch – weil immer irgendeine Figur doch noch das System erhalten hat. Doch seit 2009 hat sich im Iran etwas grundsätzlich verändert. Die Islamische Republik kommt nicht mehr zur Ruhe, weil sie in einer existenziellen Krise steckt. Weit und breit ist keine Rettung für diese Diktatur mehr in Sicht.

Die Krise geht weit über die Streitigkeiten zwischen Religionsführer Khamenei und Präsident Ahmadinedschad hinaus. Jede einzelne Clique in dieser Diktatur ist sich selbst am nächsten, kämpft um ihr eigenes Überleben und vergisst dabei, das Überleben des Regimes zu sichern – vielleicht aus Panik, vielleicht aus einer Vorahnung, dass es dem Ende entgegengeht, aber definitiv aus mangelndem Intellekt. Anders ist die bühnenreife Auseinandersetzung um Korruptionsvorwürfe zwischen der Laridschani-Clique und Ahmadinedschads Gefolgsleuten neulich im Pseudoparlament in Teheran nicht zu bewerten.

In vier Jahren einer durch Wahlbetrug erkämpften zweiten Amtszeit hat Ahmadinedschad neun Minister verschlissen. Seit mindestens vier Jahren ruft Khamenei immer wieder zur Einheit auf, und immer wieder verhallt dies – wie sollte es auch anders sein bei einer so schwachen Figur? Stabilität sieht anders aus. Und nun steht Khamenei vor einem erneuten strategischen Problem: Wer soll als nächste Marionette Präsident werden? Die Laridschani-Familie hat für iranische Verhältnisse schon zu viel Macht, der Ahmadinedschad-Zirkel hat genug Schaden angerichtet, und frühere Rivalen dürfen auch nicht mehr zum Zug kommen. Dies alles geschieht zu einer Zeit, in der Öl- und Finanzsanktionen das Regime in seiner Gesamtheit treffen.

Mit diesen Sanktionen geht es der internationalen Staatenwelt nicht mehr nur um Nadelstiche, sondern darum, dieses Regime in die Knie zu zwingen. Offensichtlich hat man, bevor es an diese Sanktionen ging, Hayek und Lenin aufmerksam gelesen. Hayek, weil eine unterdrückte Ökonomie immer politische Repression zur Folge hat, und Lenin, weil man die Zerstörung eines Regimes mit der Vernichtung seiner Währung betreibt. Gegenwärtig hat das iranische Regime Devisenreserven von 65 Milliarden Dollar – vollständig darauf zurückgreifen kann es nicht, aber selbst dieser gesamte Umfang ist lächerlich gering für ein Land mit den zweit- bzw. drittgrößten Gas- und Ölreserven der Welt. Der Tag, an dem die Islamische Republik die eigene Klientel nicht mehr füttern kann, ist nicht allzu weit entfernt. Hinzu kommt noch, dass sich mittlerweile jede soziale Gruppe in der iranischen Zivilgesellschaft Protesten angeschlossen hat.

Allein durch Repression ist das Regime noch an der Macht, aber trotzdem ist es den Iranern gelungen, sich im Untergrund zu organisieren. Wie auf einem Silbertablett liegt diese Diktatur bereit, endlich Geschichte zu werden – lediglich ein Handelsembargo und der Abbruch diplomatischer Beziehungen fehlen noch. Und man fragt sich in diesen Tagen besonders: Worauf wartet die Welt eigentlich noch?

Die Autorin ist deutsch-iranische Publizistin und Head of Iran Research des Mideast Freedom Forum Berlin.

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