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Facebook macht sich weiter für die Werbewirtschaft hübsch.

© dpa/picture alliance

Gastbeitrag: Deutschland verschläft die digitale Revolution

Die Bedeutung der Digitalwirtschaft wächst von Jahr zu Jahr. Die Deutschen sollten versuchen, nicht nur Risiken, sondern vor allem die Chancen dieser neuen Technologie zu sehen.

Allein in Deutschland wächst Amazon jedes Jahr um die Größe fast eines Otto-Versandes und erreicht einen Marktanteil von über 20 Prozent des gesamten deutschen E-Commerce. Google hat mit knapp 90 Prozent Marktanteil in Deutschland einen seiner stärksten Märkte weltweit und Facebook zählt knapp 28 Millionen deutsche Nutzer. Die Diskussion dreht sich hier jedoch nur um ein Thema: Datenschutz. Verschlafen die Deutschen die digitale Revolution?

Wenn man diese Zahlen betrachtet, bleibt nur eine Antwort: Ja. Fast jeder Bericht in deutschen Zeitungen dreht sich um die Angst, digital ausspioniert zu werden. Hinter dem Trend „Big Data“ sieht jeder Journalist die Verwirklichung schrecklicher Zukunftsvisionen des gläsernen Menschen, über den böse gewinnoptimierende Unternehmen im Hintergrund Profile anlegen, um noch den letzten Cent aus ihm herauszuquetschen. Konsumenten werden mit ständig auf sie einprasselnder zielgerichteter Werbung bombardiert und können am Ende gar nicht anders, als zu kaufen. Trotz dieser Gängelung ist dem deutschen Nutzer eines offensichtlich egal: Er schickt seine Daten bereits heute an marktdominierende amerikanische Unternehmen, für die der Datenschutz bekannterweise eine untergeordnete Rolle spielt.

Dass die NSA in Deutschland massenweise private Kommunikation per Mail oder Telefon abgehört und gespeichert hat, ist zwar einer der Auslöser dieser Debatte. Aber interessanterweise richtet sich die Wut weniger gegen die NSA, sondern in einer Mischung aus Unwissenheit und Veränderungspessimismus gegen die digitalen Innovationen generell.

Seit Jahren verspricht die EU, neue Datenschutzregeln zu verabschieden. Deutsche Unternehmen werden von Politikern dazu aufgefordert, Datensicherheit als wichtiges Merkmal für den Export deutscher Technologie zu verwenden. Dass diese Argumentation nicht einmal auf dem Heimatmarkt wirkt, verdrängen die Teilnehmer der Diskussion. Es wird auf ein Opt-in des Nutzers zur Speicherung personenbezogener Daten hingearbeitet, welches einmal mehr den großen amerikanischen Unternehmen in die Hände spielt, weil nur sie eine direkte Beziehung zum Nutzer haben.

Online Marketing verzeichnet im Werbemix zwar die höchsten Wachstumsraten, kann aber nicht als Erfolgsstory dargestellt werden. Der TKP („Tausenderkontaktpreis“) liegt im Fernsehen bei knapp über 50 Euro, in den digitalen Medien bei unter zwei Euro. Online-Werbung wird vom Großteil der Nutzer als störend und zu aggressiv empfunden. Über 70 Prozent der im Online-Marketing ausgegebenen Gelder werden über amerikanische Technologie von Google, Facebook und Firmen wie Appnexus oder Rocketfuel geleitet, die ihren Anteil am Umsatz abschöpfen. Dem geneigten Internetnutzer stellt sich hier die Frage: Warum tut unsere europäische Branche nicht mehr, um transparente Regeln zu schaffen und das Vertrauen der Onliner zu erhöhen?

Leider sind viele europäische Internetunternehmen Mittelständler, die sich keine Lobbyisten in Brüssel leisten können. Sogar für die europäischen Internet-Verbände hängt das Überleben von den Geldern der Googles und Facebooks ab. Diese haben sich wiederholt gegen einen transatlantischen Kompromiss zum Datenschutz gestellt, weil es ihnen den Heimatmarkt kaputt machen könnte.

Die Bedeutung der Digitalwirtschaft wächst von Jahr zu Jahr. Die Deutschen sollten versuchen, nicht nur Risiken, sondern vor allem die Chancen dieser neuen Technologie zu sehen. Die Industrie sollte die Transparenz erhöhen, um das Vertrauen der Nutzer in die digitalen Medien zu erhöhen. Cookies sind eine gute Erfindung, weil der Nutzer sie löschen kann oder nicht.

Der Autor ist CEO von webtrekk.

Christian Sauer

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