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Viele Kinder wachsen heute bei Paaren auf, die keinen Trauschein haben.

© dapd

Gastbeitrag: Ehen entlasten den Staat

SPD und Grüne möchten das Ehegattensplitting abschaffen. Doch dabei vergessen sie: Steuervorteile für Verheiratete zahlen sich am Ende für alle aus.

Eltern und Ehepaaren geht es hierzulande paradiesisch: Mit bis zu 200 Milliarden Euro werden sie jährlich vom Staat überschüttet und per Verfassung ist dieses Goldprivileg auch noch gegen Eingriffe besonders geschützt. Trotzdem sorgt das alles nicht einmal für eine auch nur ausreichend hohe Geburtenrate. So jedenfalls lautet das gern gepflegte Urteil über den Familienstandort Deutschland. Es verdankt sich ganz besonders der früheren Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen. 2006 hatte sie dem Publikum in ihrer damaligen Rolle vorgerechnet, die finanzielle Familienförderung des Staates belaufe sich auf rund 184 Milliarden Euro. Nach dieser Lesart liegen wir mittlerweile bei deutlich über 200 Milliarden Euro im Jahr.

Allerdings hat selbst ihre Amtsnachfolgerin Kristina Schröder diese Zahl in der Zwischenzeit relativiert. Sie spricht jetzt nur noch von 125,5 Milliarden Euro an familienbezogenen Leistungen, „von denen aber lediglich 55,4 Milliarden Euro als Familienförderung im engeren Sinne zu verstehen“ seien. Auch das bleibt eine grobe Irreführung. Tatsächlich fehlt bei dieser Rechnung der finanzielle Eigenbeitrag der Familien an diesem vermeintlichen Staatsgeschenk. Durch Steuern und Sozialabgaben, das gab damals schon von der Leyen zu, würden Eltern rund 54 Prozent der Summe aus eigener Tasche bezahlen.

Nimmt man alle staatlichen Zuwendungen für ein Kind zusammen und verrechnet sie mit den im Laufe ihres Lebens an den Staat abgeführten Beträgen, dann steht am Ende sogar ein satter Gewinn – für die öffentliche Hand. Nach einer Studie des Ifo-Institutes in München verdient der Staat an jedem Kind mindestens 77 000 Euro. Kinder sind kein Kostenfaktor, sondern eine Einnahmequelle.

Von ähnlicher Substanz ist der rot-grüne Wahlkampfschlager „Abschaffung des Ehegattensplittings“. Diese Prämie für Bestverdiener mit „Heimchen am Herd“ sei angesichts der massiven Kinderarmut und den akuten Finanznöten beim Krippenausbau nicht länger hinnehmbar, heißt es. Unpassenderweise aber hatte SPD-

Kanzlerkandidat Peer Steinbrück als Bundesfinanzminister errechnen lassen, dass vom Splittingeffekt zu 90 Prozent Ehepaare mit Kindern profitieren. Deshalb warnte er ausdrücklich vor einer Abschaffung des Splittingvorteils, weil das „im weit überwiegenden Maße Ehepaare mit einem Verdiener und einem oder zwei Kindern“ treffe, „also eigentlich genau den Teil der Gesellschaft, für den wir etwas tun wollen“.

Nüchtern betrachtet ist die Ehe die kleinste, institutionalisierte Solidargemeinschaft unserer Gesellschaft, die die Sozialetats entlastet. Beispielsweise hat im Falle längerer Erwerbslosigkeit die gegenseitige Unterhaltsverpflichtung der Ehepartner Vorrang vor der staatlichen Gewährung der Arbeitslosenhilfe oder von Hartz-IV-

Leistungen. Darüber hinaus fördert diese bürgerliche Institution faktisch die Umverteilung von Reich zu Arm auf der persönlichen Ebene – von gutverdienenden Männern hin zu weniger oder (zeitweise) gar nicht verdienenden Frauen und Müttern.

Genau deshalb ist das Splitting ebenfalls eine bescheidene Anerkennung der nicht nur in Deutschland, sondern europaweit immer noch mehrheitlich von Müttern geleisteten Haus- und Familienarbeit.

Seit der „Agenda 2010“-Politik ist das noch notwendiger als zuvor. Sie hat zu einer rapiden Ausweitung des Niedriglohnsektors geführt, wie SPD-Chef Sigmar Gabriel kürzlich einräumte. Hauptbetroffene sind Mütter. Trotz höherer Erwerbsbeteiligung bleibt das innerfamiliäre Einkommensgefälle weiterhin sehr hoch. Würde das Ehegattensplitting gestrichen, müssten viele Familien mit einer spürbar höheren Steuerlast rechnen. Somit entpuppt sich das deutsche Ehe- und Familienparadies unterm Strich als reine politische Fiktion. Ganz gleich, wer deshalb die Wahl im September gewinnt – viele junge Paare dürften sich weiterhin den „Luxus Kind“ nicht antun wollen.

Der Autor leitet das Heidelberger Büro für Familienfragen.

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