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 Eine malaiische Patrouille - es gilt, den Vormarsch radikaler Islamisten zu verhindern.

© AFP

Gastbeitrag: Schadensbegrenzung in Mali

Die Situation in Mali offenbart einmal mehr das Fehlen einer weitsichtigen Afrika-Politik der Europäer sowie die gravierenden Schwächen europäischen Krisenmanagements. Ein Gastbeitrag von Marco Overhaus von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Am 11. Januar hat Frankreich mit Zustimmung der bedrängten Übergangsregierung militärisch in den inneren Konflikt Malis interveniert. Paris will damit den weiteren Vormarsch radikaler Islamisten in den Süden verhindern. Den nördlichen Teil des Landes kontrollieren sie bereits. Die langwierigen Planungs- und Entscheidungsprozesse auf multilateraler Ebene haben Frankreich zu einem einseitigen Eingreifen genötigt. Denn auch die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) bereitet mit Unterstützung der Vereinten Nationen eine Eingreiftruppe vor. Bisher allerdings war deren Einsatz erst für September geplant. Die EU entsendet flankierend eine militärische Mission zur Ausbildung der malischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte.

Der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian hatte die Intervention am vergangenen Wochenende mit dramatischen Worten unterlegt: Ohne ein Eingreifen seines Landes würde die Hauptstadt Bamako an die Rebellen fallen und damit der malische Staat zerstört. Einen Staat, zumal in der eigenen Nachbarschaft, in dem terroristische Kräfte das Sagen haben, kann und will sich Europa nicht leisten. Insofern erscheint die Intervention notwendig und richtig. Sie ist jedoch aus der Not heraus geboren und kann im Augenblick nur der Schadensbegrenzung dienen. 

Gefahren einer Militarisierung der Anti-Terrorpolitik

Mali offenbart die Gefahren einer weiteren Militarisierung des internationalen Kampfes gegen den Terrorismus und das Fehlen einer weitsichtigen Afrika-Politik. Seit dem 11. September 2001 haben die Entwicklungen in den Hot Spots des Anti-Terrorkampfes – Afghanistan, Jemen, Indonesien und an zahlreichen anderen Orten – gezeigt, dass sich das Terror-Problem dauerhaft nur mit polizeilichen, entwicklungspolitischen und politischen Mitteln wirksam bekämpfen lässt. Mit anderen Worten: Der Kampf gegen den Terrorismus erfordert den langen Atem, den die internationale Gemeinschaft oft nicht hat.

In Mali sollen nun im Schatten der Militärintervention die seit langem aus dem Ruder laufenden politischen Entwicklungen möglichst im Schnellverfahren in Angriff genommen werden: Mit Unterstützung der Vereinten Nationen und der afrikanischen Nachbarn sollen die Konfliktparteien einen breiten und inklusiven Dialog führen. Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sollen den Weg zur Wiederherstellung der Verfassungsordnung und nationalen Einheit Malis ebnen. Die Aussichten des politischen Prozesses sind angesichts der eskalierenden Sicherheitslage jedoch mehr als ungewiss.

Auch die Europäische Union ist gefordert, einen längerfristig ausgerichteten Beitrag zur Stabilisierung Malis und der gesamten Sahel-Region zu leisten. Bereits im März 2011 hatte der Rat der Europäischen Union eine umfassende Strategie für Sicherheit und Entwicklung in der Sahel-Region gebilligt. Diese Strategie ist zwar umfassend angelegt und bezieht Fragen der Regierungsführung, wirtschaftlichen Entwicklung und Rechtsstaatlichkeit mit ein. Dennoch wird das Papier recht einseitig von sicherheitspolitischen Überlegungen dominiert. Das wesentliche Ziel ist der Schutz der EU-Interessen und ihrer Bürger durch Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und des Terrorismus. Das Augenmerk, das die EU – auch im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) – auf die Unterstützung der lokalen Sicherheitskräfte legt, verstärkt diese Tendenz. Eine weitsichtige Sahel- bzw. Afrika-Politik müsste die politischen und entwicklungspolitischen Pfeiler des Konzepts stärken und mit der vollen Unterstützung der Mitgliedstaaten umsetzen.

Fragwürdige EU-Mission

Mali verdeutlicht darüber hinaus die Schwächen des europäischen Krisenmanagements. Im vergangenen Dezember beschlossen die EU-Außenminister das Krisen-Konzept für die militärische Trainingsmission der EU. Es sieht die Entsendung von 250 bis 300 Soldaten vor, die keinen eigenen operativen oder gar Kampfauftrag haben. Eine solch klare Trennung zwischen Training und operativem Handeln kann mittlerweile als überholt gelten, denn sie ist in einem derart volatilen Umfeld nicht sinnvoll. Das Konzept ist vielmehr Ergebnis eines Minimalkonsenses unter den EU-Staaten.

Darüber hinaus sind auch die politischen und sicherheitspolitischen Bedingungen für eine Ausbildungs- und Trainingsmission derzeit nicht gegeben. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte in seiner Mali-Resolution vom Dezember 2012 die wiederholte Einmischung der malischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte in die Regierungsgeschäfte des Landes. Auch das erklärte Ziel, der malischen Armee rechtsstaatliche Grundsätze zu vermitteln und die Einhaltung der Menschenrechte zu garantieren, setzt ein Minimum an Stabilität voraus. Unter dem Strich bietet die EU-Mission in der gegenwärtigen Situation keinen Beitrag zur Lösung der Krise.

Soldaten werden keine Stabilität bringen

Frankreich und seinen Unterstützern in Washington und anderen EU-Hauptstädten bleibt momentan wenig anderes übrig, als auf die militärische Karte zu setzen. Unter dem Druck der Ereignisse fasste ECOWAS zudem den Beschluss, umgehend Truppen nach Mali zu entsenden. Dabei wird das Eingreifen der Soldaten alleine jedoch keine Stabilität nach Mali bringen können. Im günstigsten Fall – so die Hoffnung in Paris und andernorts – kann die militärische Intervention Fortschritte eines politischen Prozesses erzwingen. An dessen Ende könnte ein prekäres Arrangement zwischen den Regierungskräften, den Tuareg-Rebellen und den Islamisten von Ansar al Dine – unter Ausschluss der Al Qaida im Islamischen Maghreb – stehen. Erst wenn der politische Prozess Fortschritte gemacht hat, sollte die EU neu über ihre geplante Ausbildungsmission nachdenken. Eingebettet in ein breiteres entwicklungspolitisches Engagement könnte sie gemeinsam mit der Afrikanischen Union einen Beitrag zur Stabilisierung des Landes leisten. Solange die militärische Gewalt jedoch eskaliert, sind die Rahmenbedingungen für den Erfolg einer EU-Trainingsmission nicht gegeben.

Dr. Marco Overhaus forscht an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) u. a. zur Rolle der EU im Krisenmanagement und bei der Aufbauhilfe in Konfliktgebieten. Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Artikel erscheint auf der SWP-Homepage in der Rubrik "Kurz gesagt".

Marco Overhaus

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