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Im Visier. Bundeswehrsoldaten der Afghanistan-Schutztruppe Isaf im Dezember 2012 bei einer Übung am deutschen Außenposten OP North.

© Reuters

Gastbeitrag: Wir brauchen eine Generaldebatte über Auslandseinsätze

Etwa 20 Mal im Jahr diskutiert der Bundestag über Auslandsmandate der Bundeswehr. Doch das reicht nicht, meint Andreas Schockenhoff, stellvertretender Chef der Unionsfraktion, in unserem Gastbeitrag. Er fordert: Wir brauchen regelmäßige Generaldebatten.

Auslandseinsätze der Bundeswehr erfahren durch die deutsche Parlamentsbeteiligung mehrfach im Jahr besondere Aufmerksamkeit. Was aber bis heute fehlt, ist eine regelmäßige Debatte über den Orientierungsrahmen für die sicherheitspolitischen Entscheidungen des Bundestages. Wir brauchen eine sicherheitspolitische Generaldebatte.

Die deutsche Unterstützung der Stabilisierungsmissionen in Mali waren bereits das neunte beziehungsweise zehnte Mandat, über das der Bundestag zu entscheiden hatte. Im Januar erst wurde das ISAF-Mandat verlängert, im Dezember die Stationierung von Patriot-Abwehrsystemen an der türkisch-syrischen Grenze beschlossen, und in dieser Woche steht erneut das Atalanta-Mandat zur Pirateriebekämpfung vor der Küste Somalias zur Verlängerung an.

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994 zur Parlamentsbeteiligung bei Auslandseinsätzen bewaffneter deutscher Streitkräfte hat der Bundestag bis heute 119 Mandate beschlossen und damit rund 240 Mandatsdebatten zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr vom Balkan bis Afghanistan, vom Horn von Afrika bis vor den Libanon durchgeführt.

Andreas Schockenhoff ist stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag und dort zuständig für Außen- und Sicherheitspolitik.
Andreas Schockenhoff ist stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag und dort zuständig für Außen- und Sicherheitspolitik.

© promo

Die insgesamt 28 Missionen und die zuletzt kurze Abfolge unserer Mandatsdebatten verdeutlichen: Die sicherheitspolitischen Herausforderungen und Fragen unserer Zeit sind mannigfaltig und komplex und gehen weit über die konkreten Fragen der jeweiligen Mandate hinaus.

Doch hat es in den vergangenen knapp 20 Jahren weniger als zehn übergreifende Debatten zur sicherheitspolitischen Lage Deutschlands und zu unseren sicherheitspolitischen Interessen im Bundestag gegeben. Anlass dafür waren etwa: die Verteidigungspolitischen Richtlinien (2011), das neue strategische Konzept der NATO (2010), die beiden Weißbücher von 2006 und 1994, die Europäische Sicherheitsstrategie (2003) sowie die von der CDU/CSU-Fraktion erarbeitete Sicherheitsstrategie von 2008.

Die Sicherung einer nachhaltigen Unterstützung deutscher Sicherheitspolitik durch unsere Bevölkerung sowie die dafür notwendige Vermittlung von Werten, Interessen, Zielen und Instrumenten hat durch die Veränderungen der internationalen Sicherheitsarchitektur seit 1989/90 eine grundsätzlich neue Bedeutung erhalten.

Die multilaterale Ausrichtung deutscher Außen- und Sicherheitspolitik ist ein unverzichtbarer Bestandteil unserer politischen Kultur. Für die Schärfung unserer eigenen Entscheidungskriterien allerdings bleibt die nationale Perspektive entscheidend. Das gilt auch für die Berechenbarkeit deutschen Handelns nach außen und ist gleichzeitig entscheidend für die politische Legitimierung gegenüber unserer Bevölkerung.

Angesichts von aktuell rund 20 Mandatsdebatten jährlich ist die Einführung einer regelmäßigen Generaldebatte zur sicherheitspolitischen Lage Deutschlands notwendig. Mit ihr können wir unsere sicherheitspolitischen Interessen der deutschen Öffentlichkeit umfassender als bisher vermitteln. Erst so wird es uns wirklich gelingen, die spezifische sicherheitspolitische Betroffenheit und Ausrichtung Deutschlands darzulegen.

Diese Generaldebatte sollte in einem jährlichen Rhythmus auf der Grundlage einer Regierungserklärung erfolgen. Regierungserklärung und Generaldebatte sollen dazu beitragen, die deutsche Sicherheitspolitik zu fokussieren, für die deutsche Öffentlichkeit transparent und für unsere Partner nachvollziehbar zu machen.

Eine solche Debatte wäre also kein Ersatz, sondern eine Ergänzung zu unserer parlamentarischen Entscheidungsfindung. Der Deutsche Bundestag würde gemeinsam mit der Bundesregierung Rechenschaft über die Ausrichtung der Sicherheitspolitik ablegen. Die langfristigen sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands könnten umfassend und unabhängig von einzelnen Mandaten diskutiert werden.

Eine sicherheitspolitische Generaldebatte wäre auch eine Chance, das Verständnis und somit die Akzeptanz für die deutschen Auslandseinsätze zu verbessern. Und nicht zuletzt wäre sie eine besondere Anerkennung der Leistungen unserer Soldatinnen und Soldaten.

Der Autor ist stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Andreas Schockenhoff

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