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Jüdische Beschneidungszeremonie. Bei acht Tage alten Jungen soll es diese nach Willen des Kölner Gerichtes nicht mehr geben.

© epd

Gastkommentar: Beschneidung ist Körperverletzung und gehört verboten

Das Recht von Kindern auf eine unbeschadete Kindheit sollte als Grundkonsens über allen Religionsgemeinschaften und Wertvorstellungen stehen, sagt Georg Ehrmann, der Vorsitzende der Deutschen Kinderhilfe.

Die Debatte um die religiös motivierte Beschneidung von Jungen spitzt sich zu. Religionskritiker nutzen das jüngste Urteil zu einer Generalabrechnung mit den Religionen und begrüßen dieses Urteil. Dessen Gegner wiederum finden immer schärfere Worte der Ablehnung. Es gebe weder einen Verhandlungsspielraum noch Platz für Kompromisse, heißt es. Das Urteil kriminalisiert aus ihrer Sicht eine Praxis, die schon immer als Recht und gute Tradition wahrgenommen wurde – ein Angriff auf die bisherige Religionsausübung.

Die Entfernung der Vorhaut ohne entsprechende Indikation ist aus medizinischer Sicht eine sehr belastende und irreversible Operation.

Es existieren zahlreiche Studien zu diesem Thema, die keine Evidenz für eine Gesundheitsdienlichkeit als mögliche Rechtfertigung dieses Eingriffs zeigen konnten. Die Zirkumzision ist eine schmerzhafte Operation, die wie jeder andere chirurgische Eingriff mit Risiken behaftet ist.

Der Fall, der dem Kölner Urteil zugrunde lag, zeigt dies deutlich, denn der Junge kam wegen starker Nachblutungen in die Notaufnahme eines Krankenhauses. Das Kölner Landgericht als Berufungsgericht hat die Beschneidung zweifelsfrei als Körperverletzung qualifiziert, dies hat auch die erste Instanz getan. Dass eine Beschneidung die für den Tatbestand einer Körperverletzung erforderliche sogenannte Substanzverletzung des kindlichen Körpers darstellt, darüber besteht zumindest unter Juristen Einigkeit.

Das Gericht hat in Korrektur der bisherigen Rechtsprechung jedoch den Eltern keinen strafbefreienden Rechtfertigungsgrund für diese Körperverletzung wegen einer religiösen Tradition zugebilligt. Mit dieser Einschätzung bewegt sich das Gericht zum einen auf dem Boden des Grundgesetzes: Die Bestimmungen des Art. 2, die die körperliche Unversehrtheit der Kinder gewährleisten, sowie die des Art. 6, die dem Staat das Wächteramt über die elterliche Erziehung zubilligen, kommen hier zur Anwendung.

Das Beschneidungsurteil sorgt weiterhin für Wirbel. Nun meldet sich auch der Vorsitzende der Deutschen Kinderhilfe zu Wort.
Das Beschneidungsurteil sorgt weiterhin für Wirbel. Nun meldet sich auch der Vorsitzende der Deutschen Kinderhilfe zu Wort.

© dpa

Daneben hat Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert, die in Artikel 24 dazu verpflichtet, dass alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen getroffen werden, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen. Wenn die Kritiker nun eine unzumutbare Einschränkung der Religionsfreiheit monieren, dann geht schon die Begrifflichkeit fehl, denn es handelt sich um die Einschränkung einer durch die Tradition begründeten Ausübung ihrer Religion zulasten ihrer Kinder. Die Eltern entscheiden sich unter Berufung auf ihre Religion für eine irreversible Körperverletzung ihres Kindes, das nicht in der Lage ist, eigenverantwortlich und selbstbestimmt darüber zu entscheiden, ob es in diese gravierende lebenslange Einschränkung wegen der Religionszugehörigkeit seiner Eltern einwilligt.

Konsequent angewandt, würde diese Argumentation dazu führen, auch andere Formen der Körperverletzung von Kindern zuzulassen. Statt von Kompromisslosigkeit und „keinem Verhandlungsspielraum“ zu sprechen, bedarf es nun seitens der Vertreter von Muslimverbänden und Judentum in Deutschland der Wahrnehmung ihrer besonderen Verantwortung: Es gilt zu vermeiden, dass Eltern, in dem Gefühl, ihre Religionsausübung gäbe ihnen das Recht dazu, nun zu Laien oder Scharlatanen getrieben werden und dadurch die Risiken von Nebenwirkungen für die Jungen erheblich steigen.

Es geht nun darum, verbal abzurüsten und nicht in eine integrationsfeindliche oder gar antisemitische Debatte abzugleiten. Im Interesse der Kinder bedarf es eines Dialoges mit Medizinern sowie Fachleuten aus der Jugendhilfe und des Kinderschutzes, um ein Umdenken und einen Mentalitätswandel einzuleiten. Das Recht von Kindern auf eine unbeschadete Kindheit sollte als Grundkonsens über allen Religionsgemeinschaften und Wertvorstellungen stehen. Die Verschiebung der Beschneidung in das Erwachsenenalter könnte ein Weg dahin sein.

Der Autor ist Vorsitzender der Deutschen Kinderhilfe.

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