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Gastkommentar: Das tut man nicht? Pah!

Alexander Gauland beobachtet den Verfall von Moral und Werten in der Gesellschaft und stellt fest: Die 68er haben zur Causa KT mit beigetragen.

Zuerst einmal, es ist gut, dass es vorbei ist, dass der fränkische Freiherr selbst oder wer auch immer in seiner Umgebung noch zu der Einsicht kam, dass man so nicht weitermachen kann, dass zumindest eine konservative Partei ihren Markenkern beschädigt, wenn sie Politik und Charakter trennt, wenn die Verletzung bürgerlicher Anstandsregeln mit dem Ministeramt nichts zu tun haben soll.

Doch vor Legendenbildung à la Sieg des Guten über die Kräfte der Finsternis sollten wir uns hüten. Eine Welle des Anstands habe Karl Theodor von und zu Guttenberg überrollt und gestürzt, war in dieser Zeitung zu lesen. Eine Welle des Anstands? Wenn es so gewesen wäre, hätte Frau Merkel viel früher die Reißleine gezogen. Aber es war ja gerade ihr Problem, dass es in dieser Gesellschaft keine Welle gab, sondern das Land tief gespalten war mit durchaus leichten Vorteilen für den halb reuigen Sünder.

Es ist eben leider nicht mehr so, dass das bürgerliche So-etwas-tut-man-nicht sich wie ein Tsunami in der Gesellschaft ausbreitet. Denn längst sind die Fundamente des Wohlanständigen, auf denen unsere Eltern noch standen, unterspült. Dass am Ende immer noch mehr als die Hälfte der Deutschen das Ganze nicht so tragisch fanden und den Politiker vom Schummeldoktoranden trennen wollten, müsste uns zu denken geben. Und sage keiner, „Bild“ sei schuld, das Blatt drückte nur aus, was viele dachten: „Scheiß’ auf den Doktor“ und „Macht keinen guten Mann kaputt“.

Das Ganze fing mit den Sekundärtugenden an, mit denen man nach Lafontaine auch ein KZ leiten könne, und diese Abwertung des Bürgerlichen brachte vieles ins Rutschen, nicht nur bei KT. Meine Eltern – Jahrgang 1881 und 1904 – hätten auch einem Außenminister Fischer nicht mehr die Hand gegeben, nachdem er Polizisten eines demokratischen Staates verprügelt hatte. Man kann lange darüber streiten, wer und was Hitler 1933 an die Macht gebracht hat, der schlichte bürgerliche Anstand jedenfalls war es nicht, weshalb auch seine Inhaftnahme für die größte Katastrophe der deutschen Geschichte ein billiger Kurzschluss ist.

Was in der Folge von 68 begann, durchdrang alle gesellschaftlichen Bereiche. Banker, die das Geldverdienen um jeden Preis der gesellschaftlichen Verantwortung vorzogen, getürkte Arztrechnungen für Krankenkassen hier, falsche Steuererklärungen und Liechtensteiner Fluchtgelder dort. Zumwinkel, Middelhoff, Hypo Real Estate und Oppenheim. Man kann ein dickes Buch mit Namen, Firmen und Institutionen füllen, über denen stehen müsste: So etwas tut man nicht. Und selbst in den Medien musste man sich Stellungnahmen von Menschen anhören, die ihre zweite Chance vermarkteten, statt endlich einmal zu schweigen.

Wen wundert es also, dass die Kanzlerin zögerte, dass sie die Nase prüfend in den Wind hielt? Und ob alle jungen Doktoranden und Dozenten, die jetzt protestieren, ohne Fehl und Tadel sind, bezweifeln selbst Insider des Wissenschaftsbetriebes.

Es ist schon so, bei der Verteidigung von wie bei der Jagd auf Karl-Theodor von und zu Guttenberg war viel Heuchelei im Spiel. Schließlich war er einer von uns, Ausdruck und auch Produkt einer Gesellschaft, die es mit ihren Werten nicht so genau nimmt, wenn es um Erfolg, Aufstieg und Fortkommen geht. Von dem französischen Politiker Guizot stammt der fatale Rat: Bereichert euch! Nicht nur der gestürzte Verteidigungsminister handelte in einer Phase seines Lebens nach dem Motto: Mogelt euch durch!

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