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Gastkommentar: Die USA sind wieder ein ehrlicher Vermittler

Sieben Gründe, warum Frieden in Nahost doch denkbar ist.

Barak Obama meint es ernst: Er will eine umfassende Friedenslösung im Nahen Osten erreichen. Er weiß, dass er damit das Risiko des Scheiterns auf sich nimmt. Dass es ausgerechnet jetzt klappen sollte, ist unwahrscheinlich, aber folgende sieben Gründe machen ein wenig Mut:

1. Der viel zu wenig beachtete Eröffnungszug Obamas im Nahost-Schach war sein Besuch in Saudi Arabien, vor seiner Rede in Kairo. Der Präsident würdigte die zentrale Rolle der Saudis für den Islam, der saudische Monarch erklärte, Obama sei „mehr als ein Freund“. Die USA und das Golfland versuchten erstmals seit langem wieder den Schulterschluss: Nicht Themen wie religiöser Fundamentalismus und Menschenrechte sollen nun im Vordergrund stehen, sondern Realpolitik.

2. Mit dem Interview in „Al Arabia“ am ersten Tag seiner Amtszeit, der Ernennung des Sonderbeauftragten Mitchell und seiner Kairo-Rede hat Obama in kurzer Zeit die Sichtweise in der Region auf Amerika völlig verändert. Die USA werden wieder als „honest broker“, als ehrlicher Vermittler, wahrgenommen. Das Schlüsselwort Obamas in seinen Einlassungen lautete „Respekt“, nicht „Krieg gegen den Terror“.

3. Zur Glaubwürdigkeit des neuen Präsidenten trägt entscheidend seine klare Haltung zur Siedlungsfrage bei. Über ritualhafte Sonntagsreden hinaus hat er dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu klar deutlich gemacht, dass Washington auch kein sogenanntes „natürliches Wachstum“ der israelischen Siedlungen jenseits der Grünen Linie akzeptiert.

4. Trotz der anhaltenden Meinungsverschiedenheiten von Hamas und Fatah in der Palästinenischen Autonomiebehörde reden beide miteinander. Vor allem ist Präsident Abbas offenbar entschlossen, die palästinensischen Sicherheitskräfte besser zu schulen und mit ihrer Hilfe endlich das Gewaltmonopol durchzusetzen. Die USA haben darüber hinaus soeben 200 Millionen Dollar Finanzhilfe an Ramallah überwiesen.

5. Obama erinnert daran, dass es schon Frieden in Nahost gibt, nämlich die Vereinbarungen Israels mit Ägypten und Jordanien, die jetzt schon viele Jahre halten. Obama versucht, auch Syrien und den Libanon für eine konstruktive und eigenständige Haltung zu gewinnen. In Beirut war der Sieg der prowestlichen Kräfte eine Ermutigung und auch die Gespräche von Präsident Assad und Mitchell verliefen vielversprechend. Die USA senden wieder einen Botschafter nach Damaskus.

6. Es gibt kein Störfeuer aus Europa, sondern das Bestreben, den Obama-Ansatz zu unterstützen und die Erkenntnis, dass die europäische Rolle vor allem in der Zeit nach einem Friedensschluss kommen wird: bei gemeinsamen israelisch-arabischen Infrastrukturprojekten bei Verkehr, Energie, Wasser und Landwirtschaft, beim Aufbau tragfähiger Verwaltungs- und Justizstrukturen etc.

7. Und, so befremdlich es sich im ersten Moment anhören mag, auch Ahmadinedschad und die jüngsten Vorgänge im Iran könnten unbeabsichtigt helfen: Der von dort kommende Radikalismus in der Ablehnung des jüdischen Staates, die brutale Unterdrückung der Opposition und das Streben nach Vorherrschaft in der Region befremden die arabischen Staaten immer mehr. Nicht mehr Jerusalem, sondern Teheran wird als die erste Bedrohung wahrgenommen.

Aber fehlt im Obama-Ansatz nicht der menschenrechtliche Gesichtspunkt, die Kritik an den Diktaturen in Nahost, die George W. Bush in seinem Konzept für den „Größeren Nahen Osten“ immer wieder vorgebracht hatte? Vielleicht. Obama würde vermutlich antworten: Was hilft den Menschen im nahöstlichen Krisenbogen mehr als ein umfassender Frieden? Er ist die Grundlage für allen Fortschritt. Und ist es nicht wichtiger, zum Beispiel die Golfstaaten oder Ägypten hinsichtlich der iranischen Bedrohung an seiner Seite zu haben, als sich diese Verbündeten durch Kritik zu entfremden?

Und die Regierung Netanjahu? Steht sie nicht einer Friedenslösung im Wege? Momentan sieht es so aus. Aber der israelische Premier weiß letztlich um die Notwendigkeit der Unterstützung aus Washington für sein Land. Er wird sie nicht aufs Spiel setzen.

Der Autor ist Staatssekretär a. D. und Mitglied im CDU-Bundesvorstand.

Friedbert Pflüger

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