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Foto: p-a/dpa

© picture alliance / dpa

Gastkommentar: Energiesparlampen reichen nicht

Die Katastrophe in Japan zeigt, dass wir umsteuern müssen. Das wird nur gehen, wenn wir unsere Lebensgewohnheiten radikal ändern und helfen, das Kreuz zu schultern.

Es gibt Ereignisse, da hält die Welt den Atem an. Das Erdbeben und der Tsunami in Japan waren solche Katastrophen. Bilder der Zerstörung. Seit Menschengedenken wird bei solchem Anblick gefragt: Wie kann Gott das zulassen? Ist Gott allmächtig oder allgütig? Hat er den Finger am Joystick und lässt einmal hier die Erde beben und dort das Wasser über die Ufer treten? Bevor Gott zum Lückenbüßer gemacht wird, sollten wir uns verdeutlichen, dass auch in der gegenwärtigen japanischen Katastrophe Menschen mitgewirkt haben. Seit Jahrhunderten fürchten sich die Bewohner im japanischen Osten vor Erdbeben und Tsunamiwellen. Dennoch wurden Atomkraftwerke an dieser Stelle gebaut. Schon lange wissen wir, dass die Atomkraft eine Technik ist, die sich nur beherrschen lässt, wenn alles in seinen gewohnten Bahnen verläuft. Brauchten wir nach Tschernobyl eine erneute Havarie, um ernsthaft einen neuen Weg in der Energiepolitik zu beschreiten?

Als Jesus am Kreuz starb, schien dies für seine Wegbegleiter das Ende der Hoffnung zu sein. In der biblischen Erzählung verdunkelte sich der Himmel. Auch das Kreuz Jesu ist für viele Menschen Anlass, an Gottes Güte zu zweifeln. Wie kann Gott zulassen, dass sein Sohn grausam sterben muss? Aber es war nicht Gott, der das Leiden wollte. Menschen waren es, die den Sohn Gottes gekreuzigt haben.

Die Art seines Sterbens weist auf sein Leben zurück. Sein Glaube gab ihm die Freiheit zum Wort, die Freiheit, die ihn ans Kreuz brachte. Seine Lehre, zwischen Gott und weltlicher Macht zu unterscheiden, den Ärmsten nahe zu sein und Brot und Wein zu teilen, hat nichts von ihrer Kraft verloren. Wer so redet und handelt wie Jesus, ist für jedes politische System, das sich religiös begründet, ein Sicherheitsrisiko. Mit seiner Botschaft hat Jesus die Liebe Gottes in die Welt getragen. Mit seinem Kreuz stellt er menschliches Leiden unübersehbar ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Im Licht der Osterbotschaft wird deutlich: Gott will dieses Leiden nicht. In diesem Jahr stellt uns die japanische Katastrophe menschliches Leiden radikal vor Augen und mahnt zur Umkehr. Es hat schon etwas Gespenstisches, wenn gerade jetzt einige Politiker die Meinung vertreten, der stille Karfreitag habe sich überlebt.

Jesus musste am Kreuz sterben, weil er menschliches Leiden konfrontativ bewusst gemacht und sich konsequent der politischen Instrumentalisierung verweigert hat. Bis heute werden Gläubige politisch verdächtigt und in Machtspiele eingeplant. Christen, die sich zu ihrem Glauben bekennen, werden bereits dann als Missionare bestraft oder getötet, wenn sie helfend oder seelsorgerlich tätig sind. Religionsfreiheit ist ein universelles Menschenrecht. Sie gehört zur Würde des Menschen dazu.

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Aber er lebt auch vom Brot. Und dafür muss die Umwelt in einem guten Zustand sein. Die Katastrophen mit der Atomtechnik zeigen, dass wir umsteuern müssen, um zukünftiges Leiden zu verhindern. Die Einsicht, dass sich etwas ändern muss, ist da. Aber auch der Widerstand gegen Veränderungen. Atomkraft wollen wir nicht, Braunkohleabbau entwurzelt Menschen und hinterlässt kilometerweite Kraterlandschaften. Windkraftanlagen und Stromleitungen verändern die Natur ebenso. Und das Superbenzin E10 ist weder von den Ölkonzernen noch vom Verbraucher gewollt.

Eine Studie des Evangelischen Entwicklungsdienstes, der Initiative Brot für die Welt und des Bundes für Umwelt und Naturschutz, hat schon 2008 eindrücklich gezeigt, dass es aber nur mit einem umfassenden Ansatz gelingen wird, eine Energiewende herbeizuführen. Dazu sind massive Anstrengungen aller Staaten notwendig, die ärmeren unter ihnen durch Exportsubventionen nicht zu benachteiligen. Unser persönlicher Lebensstil wird von Veränderungen nicht unberührt bleiben. Der Wechsel von Glühlampen zu Energiesparlampen allein wird nicht reichen.

Entwicklungspolitische und klimapolitische Zusammenhänge sind auch für uns in Europa zu einer existenziellen Zukunftsfrage geworden. Das zeigen die Flüchtlinge, die sich jetzt verstärkt von Nordafrika nach Europa aufmachen. Wir sind herausgefordert, an einer Zukunft zu bauen, in der es möglich sein wird, auch in anderen Weltgegenden ein menschenwürdiges Lebens zu führen.

Auf dem Leidensweg Jesu, der Via Dolorosa in Jerusalem, trägt ein Mann, Simon von Kyrene, zeitweise das Kreuz Jesu. Immer haben sich Menschen gefunden, stellvertretend für andere da zu sein. Wohl dem, dem es gelingt, einem anderen zum Simon von Kyrene zu werden und ihm das Kreuz wenigstens ein Stück des Weges abzunehmen.

Der Autor ist seit 2009 Bischof der evangelischen Kirche Berlin- Brandenburg-schlesische Oberlausitz.

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