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Gastkommentar: Google ist wie George W. Bush

Mit ihrem hippen Image und ihrer Innovationsfreude scheint die Marke Google bestens zur Obama-Ära zu passen. Doch bei genauem Hinsehen weist die Geschäftspraxis des Suchmaschinengiganten eine frappierende Ähnlichkeit mit der klobigen und großmannssüchtigen Politik von George W. Bush auf.

Nehmen wir etwa das Google- Buchprojekt. Glaubt man dem Unternehmen, dann wird das Projekt so etwas wie die Neuzeit-Version der Bibliothek von Alexandria, der größten Büchersammlung der Antike. Erinnern wir uns: Auch die Bush-Doktrin verfolgte das hehre Ziel, Freiheit und Demokratie in aller Welt zu verbreiten – und scheiterte damit grandios. Das Google-Buchprojekt ist bereits auf Probleme gestoßen, nachdem Verstöße gegen das Urheberrecht bekannt wurden. Und da bisher vornehmlich englischsprachige Bücher eingelesen wurden, sieht sich Google einem ähnlichen (in diesem Fall kulturellen) Imperialismus-Vorwurf ausgesetzt wie die Bush-Regierung. Auch das Projekt „Google Street View“, bei dem Passanten und Privatgrundstücke mitgefilmt und ins Netz gestellt werden, trieb vor allem die datenschutzbewussten Europäer auf die Barrikaden. Nach heftigen Protesten musste Google zurückrudern.

Wie der Demokratisierungsfeldzug der Bush-Regierung ließe sich Googles unerschütterlicher Glaube an den Gemeinnutz neuer Technologien als schlicht naiv einstufen – wären da nicht einige Aktivitäten höchst zweifelhafter Natur. Wenn Google-Mail etwa private Korrespondenz mit inhaltlich passender Online-Werbung verknüpft, grenzt das an passive Bespitzelung. Google argumentiert, die Mails würden nur maschinell gefiltert und nicht von Menschen mitgelesen. Mit der gleichen Begründung versuchte die Bush-Regierung das flächendeckende Abhören von Telefongesprächen zu rechtfertigen.

Google orientiert sich – aus der Warte seiner Langfristinteressen – an der falschen Bush-Administration. Konsensbereitschaft statt Alleingang waren das Kennzeichen der Präsidentschaft von George Herbert Walker Bush. Machtbewusst, aber nicht machtbesessen, könnte man sagen. Dass das Unternehmen stattdessen der Doktrin von Bushs ungestümen Sohn folgt, ist beunruhigend.

Die Lehren für Google liegen auf der Hand: Die jüngst angekündigte strategische Partnerschaft zwischen Microsoft und Rupert Murdochs News Corp. bezeugt das Ende der unilateralen Ära. Wie auch immer Google sich drehen und wenden mag, der Spielraum für seine eingefleischte Geschäftstaktik, viel Geld auf dem „Content“-Rücken anderer Leute einzusammeln, wird erheblich kleiner.

Auch wenn Microsoft und News Corp. gemeinhin nicht als Kräfte des Multilateralismus angesehen werden, im neuen Machtfeld der Online-Technologie sind sie die aufstrebenden Kräfte. Man kann beide Player gar mit zwei anderen, althergebrachten Aufsteigern vergleichen – und zwar China und Indien, die je für sich den Amerikanern einiges der bisher allein verwalteten Spielfläche auf internationaler Bühne abnehmen.

Der Einwand, dass China und Indien alt seien und der Vergleich daher nicht so recht trifft, läuft ins Leere. In der äußerst schnelllebigen IT- und Medienwelt gehören Microsoft (gegründet 1975) und News Corp. (1979) heutzutage schon zu den Dinosauriern im Vergleich zu Google (gegründet 1998). Wie Indien und China möchten sie sich nicht von einem – historisch betrachtet – relativen Aufsteiger die Butter völlig vom Brot nehmen lassen.

Das Fazit? Ein Hurra dem Multilateralismus – von der Außenpolitik bis hin zum IT-Geschäft. Unter diesem veränderten Vorzeichen wird auch Google, ebenso wie die USA unter Barack Obama, stärker auf die Empfindungen anderer Mitspieler auf der Weltbühne Rücksicht nehmen müssen. Denn vom Goodwill der Kundschaft sind beide abhängig.

Der Autor ist Direktor des Globalist Research Center und Chefredakteur des Online-Magazins „The Globalist.com“.

Stephan Richter

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