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Generaldirektor Pascal Lamy (li.) auf dem World Economic Forum in Davos.

© reuters

Gastkommentar: Niederlage für China im Rohstoffstreit

Chinas Ausfuhrbeschränkungen auf zahlreiche Rohstoffe widersprechen, laut der Welthandelsorganisation, WTO-Regeln. Damit konnten EU und die USA einen wichtigen Erfolg verbuchen. Wie viel Wirkung der Schiedsspruch entfaltet ist offen.

Die Europäer und Amerikaner jubelten, als das WTO-Berufungsgremium Ende Januar den Schiedsspruch vom vergangenen Sommer in weiten Teilen bestätigte: Chinas Beschränkungen von Rohstoffexporten sind weder mit WTO-Recht noch dem WTO-Beitrittsabkommen des Landes vereinbar. Gestritten wurde um Exportzölle und -quoten auf insgesamt neun Materialien, die vor allem für die Chemie- und Stahlindustrie, aber auch für nachgelagerte Industrien wie Elektronikhersteller wichtig sind: Bauxit, Flussspat, Koks, Mangan, Magnesium, gelber Phosphor, Siliziummetall, Siliziumcarbid und Zink. In vielen von ihnen verfügt China über einen ansehnlichen Anteil an der Weltproduktion: Rund 67 Prozent der globalen Produktion von Siliziummetall entfallen auf das Land. Silizium wird beispielsweise in der Photovoltaik eingesetzt. 56 Prozent des weltweit produzierten Flussspats und 57 Prozent der globalen Magnesiumproduktion kommen aus China. Die Zölle auf den Export dieser Materialen sind beachtlich: auf gelben Phosphor beispielsweise müssen 70 Prozent Zoll entrichtet werden; 40 Prozent wird auf den Export von Koks und 25 bis 35 Prozent auf die Ausfuhr von Zink aufgeschlagen.

Die Importabhängigkeit der EU und USA bei den betroffenen Materialien ist hoch: Die EU beispielsweise deckt mehr als 80 Prozent ihres Mangan- und Bauxitkonsums aus dem Ausland. Für die Stahl-, Aluminium- und Chemieindustrien der EU und USA bedeuten die Exportzölle nicht nur höhere Kosten, sondern auch einen Wettbewerbsnachteil gegenüber chinesischen Unternehmen, die von ihnen nicht belastet werden. Im Sommer 2009 erhoben die EU, die USA und Mexiko daher Klage gegen China – mit Erfolg: das Land muss seine Ausfuhrbeschränkungen abbauen. Beugt sich Peking dem Schiedsspruch der WTO nicht, können die Kläger bei der Organisation eine Erlaubnis für Sanktionen beantragen. Die Hoffnung von EU und USA, der Schiedsspruch könne eine starke Signalwirkung auch für andere Handelssünder entfalten, könnte indes enttäuscht werden. Denn die wenigsten WTO-Mitglieder haben sich so scharfen Regeln unterworfen wie Peking.

Das WTO-Regelwerk zu Ausfuhrbeschränkungen ist schwach. Exportzölle sind nicht nur grundsätzlich erlaubt. Während Importzölle gebunden werden müssen, gilt dies für Ausfuhrzölle nicht. Staaten dürfen also bestehende Exportzölle anheben – ganz ohne in Konflikt mit der WTO zu geraten. Mengenmäßige Beschränkungen von Rohstoffexporten durch Quoten oder Verbote sind hingegen untersagt. Ausnahmeregeln lassen allerdings auch hier viel Spielraum: Zulässig sind Exportbeschränkungen im Falle interner Versorgungskrisen, wenn sie dem Schutz natürlicher, erschöpfbarer Ressourcen bzw. der Umwelt und Gesundheit von Mensch und Tier dienen oder auch, wenn sie zur Wahrung der nationalen Sicherheit notwendig sind.

Chinas Dominanz schürt Ängste

Genau auf diese Ausnahmen berief sich Peking im Handelsstreit mit der EU und den USA und scheiterte damit auch in zweiter Instanz. Denn das Land hat sich in seinem WTO-Beitrittsprotokoll nicht nur verpflichtet, seine Exportzölle auf die genannten Materialen abzubauen, sondern auch das Recht aufgegeben, die generellen Ausnahmeklauseln der WTO zum Schutz von Umwelt und natürlichen Ressourcen sowie der nationalen Sicherheit anzuwenden. Das Land hat sich damit deutlich strengeren Verpflichtungen unterworfen als die meisten anderen WTO-Mitglieder, ist aber dennoch an sein Beitrittsprotokoll gebunden – dies bestätigte das WTO-Berufungsgremium. Und auch wenn es das Recht dazu gehabt hätte: Die WTO sah keinen Beweis dafür, dass die Exportrestriktionen tatsächlich den in den Ausnahmeklauseln formulierten Zielen dienten.

In Brüssel und Washington wird jetzt darüber nachgedacht, auch gegen Chinas Ausfuhrbeschränkungen auf Seltene Erden wie Scandium, Lanthan oder auch Europium bei der WTO vorzugehen. Rund 95 Prozent dieser Metalle, die aus High-Tech-Produkten und Grünen Technologien wie Windkraftanlagen oder Elektromobilität nicht mehr wegzudenken sind, werden in China produziert. Die Dominanz Chinas schürt Ängste. Zwar verfügt das Land nur über etwa 36 Prozent der weltweiten Vorkommen Seltener Erden, doch dürfte es noch einige Zeit dauern, bis die Produktion in anderen Ländern eine ernsthafte Alternative bietet. Die Erfolgschancen für die EU und die USA stünden nicht schlecht, sollten sie vor die WTO gehen. Denn Peking begründet seine Ausfuhrquoten auch in diesem Fall mit dem Schutz endlicher Vorkommen und der Umwelt sowie mit einer Konsolidierung der Rohstoffindustrie.

Bis vor wenigen Jahren haben Exportzölle und -quoten in der WTO kaum eine Rolle gespielt. Den WTO-Mitgliedern ging es vor allem um Marktzugang im Ausland; eine Notwendigkeit für strengere Regeln für Exportbeschränkungen sahen sie nicht. Dies hat sich mittlerweile zumindest für importabhängige Länder wie die EU-Mitgliedstaaten oder die USA geändert. Denn die Zahl der Exportbeschränkungen weltweit ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Die WTO zählte von Oktober 2010 bis Oktober 2011 64  solcher Barrieren – in der Vergleichsperiode davor waren es nur 24. Damit sind Exportbeschränkungen deutlich stärker gestiegen als andere Handelshemmnisse. Besonders betroffen sind Rohstoffe und Lebensmittel. Angesichts der Turbulenzen auf den Rohstoffmärkten dürfte sich dieser Trend weiter fortsetzen. Die EU plädierte daher für die Aufnahme von Exportbeschränkungen als einen Verhandlungspunkt in der laufenden Doha-Runde, gleichwohl ohne Erfolg aufgrund des vehementen Widerstands vieler rohstoffproduzierender Länder.

Stormy-Annika Mildner forscht an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) u.a. zu Rohstoffpolitik sowie zur Doha-Entwicklungsrunde der WTO. Sie ist Mitglied der Institutsleitung. Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Artikel erscheint auf der SWP-Homepage in der Rubrik Kurz gesagt.

Stormy-Annika Mildner

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