zum Hauptinhalt

Gastkommentar: Nur der ADAC gibt den Deutschen Sicherheit

Der ADAC ist die Institution, der die Deutschen am meisten vertrauen. Nur er kann einen schnell retten. Das verblüfftPascale Hugues immer wieder: Weder Bundestag noch Greenpeace, ja nicht einmal die katholische Kirche kann den Deutschen wahre Sicherheit geben.

Ich erinnere mich an eine Sandpiste in einer afrikanischen Wüste. Glühende Hitze, Felsen, Geröll, Staub, sonst nichts, kein Busch, keine Hütte am Horizont, die ein wenig Schatten hätte spenden können. Mitten im Nichts ein liegen gebliebener Lastwagen. Der im Schatten der Motorhaube rücklings ausgestreckte Fahrer grüßt mit der Hand – eine sanfte Geste, souverän, ruhig. Kein Handy-Empfang, keine Pannenhilfe des ADAC, des von den Deutschen bevorzugten Schutzengels, keine rund um die Uhr geöffnete Werkstatt in der Nachbarstadt. Überhaupt keine Nachbarstadt. Sinnlos, sich darüber aufzuregen, mit dem Fuß aufzustampfen, Himmel und Erde in Bewegung zu setzen und die Götter anzuflehen. Und bei dieser Hitze kann jedes Gezappel sowieso nur schaden. In zwei Tagen wird ein Auto das Ersatzteil bringen. Vielleicht dauert es drei Tage, bis der Motor repariert ist? Oder noch länger? Letzten Endes spielt das keine große Rolle. Afrika, so ein französischer Ethnologe, ist die galoppierende Bewegungslosigkeit.

Ich erinnere mich auch an eine Busreise durch die Berge im mexikanischen Chiapas. Es ist schon einige Jahre her, und die kleinen Zickzackstraßen am Rand tiefer Schluchten stellten eine wesentlich realere Gefahr dar als die derzeitige Schweinegrippe-Epidemie. Auf den Schaltknüppel hatte der Chauffeur ein Plastikbild der Madonna geklebt. Eine kleine Heilige Jungfrau in Himmelblau und mit blinkenden Augen sollte die 50 Fahrgäste beschützen, die sich aneinander festklammerten, während sie hin und her geschleudert wurden.

Bei der Völkerwanderung ins Grüne an den kommenden langen Wochenenden kann man mit des Geschickes Mächten eben doch einen ew’gen Bund flechten, sobald sie das Auto bedrohen. Geht es allerdings um den geliebten Wagen, lassen die Berliner ganz entschieden die Weisheit fremder Völker vermissen. Weder Geduld noch Höflichkeit noch ein gesunder Aberglaube zählen zu den menschlichen Qualitäten, die die Bewohner dieser Stadt auszeichnen. Die allmächtigen Berliner mit ihren großen Klappen sind die Letzten, die sich den Kräften des Schicksals demütig unterwerfen würden. Wenn es über sie hereinbricht, erklären sie ihm einfach den Krieg! Und wie! Armer bleicher Fahrer, der aus dem Auto springt, um den qualmenden Motor zu untersuchen.

In Berlin bedeutet eine Panne mitten am Tag den Abstieg in die Hölle! Der Stau verdichtet sich. Der Druck steigt. Sogar die Doppeldecker, diese dicken, phlegmatischen Eidechsen, die träge die großen Straßen entlanggleiten, scheinen derzeit die Nerven verloren zu haben. Sie tragen den hyperaktiven Werbespruch eines Fitnessstudios: Power, Bewegung, Lifestyle. Eine derartige Lebensphilosophie lässt sich nicht mit einem Blackout oder einer halben Stunde im Stau vereinbaren.

Kochend vor Stress hupen die Autofahrer, sie gestikulieren und fluchen, sie beleidigen Mutter, Schwestern, sexuelle Praktiken und Neigungen sowie die geistigen Fähigkeiten des unseligen Schiffbrüchigen. Ganz belämmert steht er da, mit hängendem Kopf, gebeugtem Rücken, niedergeschlagenen Augen, bereit, sich vom tobenden Pöbel lynchen zu lassen. Ich habe mich schon oft gefragt, warum sich die Berliner, sobald sie ein Lenkrad zwischen den Händen halten, legitimiert fühlen, einen ihnen völlig Unbekannten zu duzen und auf unflätigste Weise zu beschimpfen – ganz besonders, wenn der Unglücksrabe eine Frau ist. In Berliner Staus habe ich die deutsche Gossensprache mit all ihren Nuancen gelernt, ihr Crescendo bis zu höchstem Zorn, die unglaubliche stilistische Kreativität der Berliner. Und dazu die Fingerbewegungen, mit denen der Sinn der Worte noch unterstrichen wird.

Kein Wunder, dass der ADAC die Institution ist, der die Deutschen am meisten vertrauen. Nur er kann einen schnell retten. Das verblüfft mich immer wieder: Weder Bundestag noch Greenpeace, ja nicht einmal die katholische Kirche kann den Deutschen wahre Sicherheit geben.

Denken Sie also an die arme kleine Madonna in Mexiko, die keine Chance auf die 22 22 22 hat. Und seit ein paar Tagen frage ich mich, wie der französische Ethnologe Berlin wohl definieren würde …

Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false