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Meinung: Gastkommentar: Warum Berlin wunderbar ist

Was muss man sich nicht für Dummheiten anhören, seit in Berlin die Große Koalition geplatzt ist! Berlin versinkt im Schlamm der Korruption.

Was muss man sich nicht für Dummheiten anhören, seit in Berlin die Große Koalition geplatzt ist! Berlin versinkt im Schlamm der Korruption. Berlin steht am Rand des finanziellen Abgrunds. Berlin ist dem roten Monster ausgeliefert. Berlin erstickt im biederen Provinzialismus. Berlin unfähig, das zu werden, wovon die Berliner seit zehn Jahren nicht aufhören zu träumen: Metropole, Weltstadt, ein zweites Paris.

Seit einem Monat erreicht die ohnehin legendäre Selbstanklage der Berliner ein inflationäres Ausmaß. Es hat etwas Egozentrisches, wie sie die Kritik an ihrer Stadt abspulen - und es gibt nur zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren: Entweder man flüchtet aus der Hauptstadt, oder man verteidigt sie.

Berlin ist nicht Kalkutta. Wer den alarmierenden Voraussagen glaubt, könnte fast den Eindruck haben, dass er in einem großen Slum am Ufer der Spree lebt. Doch in Berlin funktioniert der Alltag eher gut trotz der gigantischen Aufgabe, die der Stadt seit elf Jahren auferlegt ist. Man muss den Hut ziehen: Was für ein Titanenwerk seit dem Fall der Mauer! Welche andere Stadt in der Welt kann sich damit brüsten, in einer so kurzen Zeitspanne und mit so viel Fleiß zusammengeflickt, zusammengeklebt, gebaut und wiederaufgebaut worden zu sein?

Berlin ist nicht Paris. Und das ist gar nicht schlecht so, auch wenn die nostalgischen Berliner das jetzt vielleicht nicht gern hören. Man muss nur hören, wie sich die Franzosen über ihre Hauptstadt beklagen - zu teuer, zu schmutzig, zu laut, eingekreist von Vorstädten, die ein viel explosiveres Gemisch sind als Marzahn und Hohenschönhausen. Paris, die Mondäne, verschlingt die öffentlichen Gelder zum Schaden der anderen Großstädte, und die finanziellen Schlampereien der Berliner CDU sind nichts als ein Kinderspiel im Vergleich zur Korruption und den Skandalen, die das Rathaus von Paris seit Jahren untergraben. Es ist nicht erstaunlich, dass von Jahr zu Jahr immer mehr Pariser in die Provinz oder die grüne "Ile de France" auswandern.

Vor allem aber ist Berlin nicht Hamburg, es hat nichts von der hanseatischen Opulenz und Kühle. Berlin ist nicht München, es hat nichts von der konventionellen Pracht der bayerischen Hauptstadt. Berlin ist auch nicht Stuttgart, Düsseldorf oder Kiel, es ist keine von diesen deutschen Städten, die alle zu sauber sind, zu langweilig, zu satt, zu brav, die niemanden ins Träumen geraten lassen. "Berlin ist nicht Deutschland", sagen die Franzosen. In ihrem Mund ist das ein Kompliment. Denn Berlin ist kaputt, ungezogen, am Rand, ein bisschen eklig, noch nicht totsaniert, alternativ, nah an Polen, altmodisch ... Und das alles macht seinen Charme und sein Charisma aus. Es ist dieses Berlin, das man retten muss. Denn an dem Tag, an dem Berlin Paris sein wird, Hamburg oder München, wird Berlin seine Seele verloren haben. Dann wird man wirklich darüber nachdenken müssen, von hier wegzugehen.

Die Autorin schreibt für das französisch

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