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Gastkommentar: Wozu brauchen wir Atomwaffen?

Barack Obama weiß es längst: Deutschlands nukleare Teilhabe gefährdet die weltweite Abrüstung.

Es ist anachronistisch zu fordern, die in Deutschland stationierten US-Atomwaffen (vorerst) nicht abzuziehen. Die fortgesetzte Mitwirkung Deutschlands an der nuklearen Abschreckung ist sicherheitspolitisch nicht mehr zu rechtfertigen und schadet globalen Bemühungen um die Kontrolle und Abrüstung von Kernwaffen.

US-Präsident Barack Obama hat am 5. April in seiner Prager Rede klargemacht, dass die USA mit aller Macht das Ziel einer atomwaffenfreien Welt anstreben. Obama forderte alle Staaten zum Umdenken auf: „Um die Denkmuster des Kalten Kriegs zu überwinden, werden wir die Rolle von Atomwaffen in unserer nationalen Sicherheitsstrategie reduzieren und andere anhalten, dasselbe zu tun.“

Ein Abzug der US-Atomwaffen aus Europa wäre ein solches Signal des Umdenkens. Die Nato ist das mächtigste Militärbündnis der Welt und wird dies auch ohne Atomwaffen bleiben. Rund zwei Drittel der globalen Rüstungsausgaben entfallen auf die Mitglieder der Allianz.

Die konkrete Abschreckung mit konventionellen Waffen ist heute glaubwürdiger und damit wirksamer als die abstrakte Drohung mit Atomwaffen. Niemand glaubt ernsthaft, dass sich die 28 NatoMitglieder jemals auf den Einsatz von Massenvernichtungswaffen einigen könnten. Trotzdem trainieren deutsche Tornado-Piloten im Rahmen der nuklearen Teilhabe bis heute den Einsatz von bis zu 20 US-Atomwaffen, die auf dem Luftwaffenstützpunkt Büchel in der Eifel stationiert sind.

Das Festhalten an der nuklearen Teilhabe, in deren Rahmen neben Deutschland auch noch Belgien, Italien, die Niederlande und die Türkei als Stationierungsorte für US-Atomwaffen dienen, hat andere Gründe. Das System stammt aus der Zeit, als die USA Atomwaffen gegen vorrückende sowjetische Panzerkolonnen in Zentraleuropa einsetzen wollte und die Westeuropäer hierbei Mitsprache forderten. Seit damals vermeidet die Nato eine ernsthafte Debatte über die Rolle der Atomwaffen nach dem Ost-West-Konflikt. Viele Verbündete fürchten, dass eine solche Diskussion brisante Fragen über den Zweck des Bündnisses insgesamt aufwerfen wird – und dass die Antworten große Differenzen zwischen den Mitgliedern offenbaren werden.

Aber spätestens seit dem Beschluss der Nato-Regierungschefs von Anfang April, das strategische Konzept der Allianz zu überarbeiten, führt an der Frage, ob die nukleare Teilhabe eine Zukunft haben soll, kein Weg mehr vorbei. Bei der Beantwortung sollten auch die politischen Kosten eines Festhaltens an der nuklearen Teilhabe Berücksichtigung finden.

Schon im nächsten Mai wird die internationale Staatengemeinschaft sich in New York treffen, um über eine dringend notwendige Stärkung des Atomwaffensperrvertrages zu sprechen. Zu Recht werden viele Nichtatomwaffenstaaten dabei nicht nur substanzielle Abrüstungsschritte der Atommächte einfordern, sondern wie in der Vergangenheit ein Ende der „nuklearen Teilhabe“ verlangen. Sie werden darauf verweisen, dass es doppelzüngig ist, von anderen nukleare Enthaltsamkeit zu fordern, während man es sich selbst unter dem nuklearen Schutzschirm bequem macht. Ohne die Mitwirkung dieser Staaten aber wird es nicht möglich sein, Iran und Nordkorea weiter zu isolieren und den Sperrvertrag zu reformieren.

Barack Obama weiß: Auf Dauer kann eine nukleare Zweiklassengesellschaft keinen Bestand haben. Und mit dieser Analyse trifft er auch in der Bundesregierung auf Zustimmung. In Reaktion auf die Prager Rede Obamas kündigte Außenminister Steinmeier Anfang April an, sich für den Abzug der in Deutschland verbliebenen US-Atomwaffen einzusetzen. Diese Position spiegelt die breite politische Mehrheit in Deutschland wieder. Umfragen ergeben seit Jahren, dass mehr als 60 Prozent der Bevölkerung einen Abzug unterstützen.

Der Autor ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg.

Oliver Meier

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