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Windpark in der Nordsee.

© dpa

Gastkommentar zu erneuerbaren Energien: Gemeinsam fördern

In der Europäischen Union driften die Vorstellungen über die Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien immer stärker auseinander, konstatiert Severin Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Doch wenn man den Investoren Sicherheit bieten will, sollte man sich bald auf gemeinsame Ziele bis 2030 verständigen.

Während Deutschland der Entwicklung erneuerbarer Energien große Bedeutung beimisst und jährlich mehrere Milliarden Euro in deren Ausbau investiert, ist die Haltung anderer EU-Staaten zu diesem Thema mindestens ambivalent. Großbritannien setzt bei der weiteren Umgestaltung des Energiemarktes auf technologieneutrale CO2-Minderungsziele, die gleichermaßen durch erneuerbare Energien, Atomkraft, fossile Energieträger mit CCS (Carbon Capture and Storage) und Energieeinsparung erfüllt werden können. In Polen hingegen wird derzeit die klimapolitische Grundausrichtung der EU insgesamt angezweifelt, was den weiteren Umgang mit regenerativen Energiequellen in Frage stellt. Die Vorstellungen über den weiteren energiepolitischen Transformationsprozess in der EU driften zunehmend auseinander.

In ihrem jüngst erschienenen Strategiepapier "Erneuerbare Energien: ein wichtiger Faktor auf dem europäischen Energiemarkt" hebt die Europäische Kommission zwar hervor, dass sich der Ausbau der Stromerzeugung aus Sonne, Wind und Biomasse in den vergangenen Jahren weitaus schneller vollzogen hat, als dies noch im Jahr 2007 zu erwarten war. Gleichzeitig aber erfordere die Fortsetzung dieses Wachstumstrends die Schaffung verlässlicher politischer Rahmenbedingungen. Dazu gehören Investitionsanreize und eine bessere Integration erneuerbarer Energien in den Energiebinnenmarkt.

Politisch hat die Europäische Union bei der Entwicklung der erneuerbaren Energien in der Vergangenheit lediglich einen groben Rahmen vorgegeben. Im Jahr 2007 wurde das gemeinsame Ziel formuliert, den Gesamtanteil regenerativer Energieversorgung in Europa bis 2020 auf 20 Prozent zu erhöhen. Im Weiteren wurde für jeden Mitgliedstaat ein separates nationales Ziel für 2020 festgelegt. Die Umsetzung dieser Zielmarke erfolgt unter nationaler Regie. Die Mitgliedstaaten haben hierfür nationale Fördersysteme wie etwa das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Deutschland eingerichtet. Die Förderinstrumente der Mitgliedstaaten unterscheiden sich mit Blick auf Kosteneffizienz und Effektivität sowie ihre finanzielle Ausstattung jedoch erheblich. Entsprechend vollzieht sich auch der Ausbau der erneuerbaren Energien in unterschiedlichen Geschwindigkeiten.

Überdies hat die Wirtschafts- und Finanzkrise die Handlungsmöglichkeiten einiger Mitgliedstaaten, öffentliche Mittel für die Entwicklung erneuerbarer Energien bereitzustellen, zusätzlich eingeschränkt. In Ländern wie Portugal oder Spanien etwa ist die öffentliche Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien im Zuge der Haushaltskonsolidierungen massiv gekürzt worden. In einigen Fällen wurden diese Einschnitte sogar rückwirkend vollzogen - mit fatalen Folgen für die Investitionssicherheit in der Branche.

Warum sich die EU-Staaten rasch auf gemeinsame Ziele einigen sollten

Wenn der Ausbau erneuerbarer Energien nicht ausgebremst werden soll, müssen sich Kommission, Europaparlament und Mitgliedstaaten in den kommenden Monaten über drei zentrale Fragen verständigen. Am dringlichsten erscheint, erstens, die Bewältigung der technischen Herausforderungen für eine schnelle Einbindung von Sonnen- und Windstrom in den Binnenmarkt. Dazu gehört ein umfangreicher, teilweise aus EU-Mitteln finanzierter Ausbau der Netzinfrastruktur. Auch eine bessere Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten mit dem Ziel, Engpässe bei der Stromversorgung zu vermeiden und Überkapazitäten auszugleichen, erscheint erforderlich.

Ein zweites, erheblich konfliktträchtigeres Thema, ist die Zieldebatte in der europäischen Energie- und Klimapolitik. Wurden 2007 von den 27 Staats- und Regierungschefs der EU noch gleichermaßen Ziele für CO2-Reduktion, erneuerbare Energien und Energieeffizienz gesetzt, hat die Bereitschaft zur Fortschreibung dieser Zieltrias bis 2030 deutlich nachgelassen. Je früher jedoch verbindliche Ziele für das Jahr 2030 festgelegt werden, desto klarer werden die Rahmenbedingungen für Unternehmen und entsprechend höher ihre Investitionsbereitschaft. Insofern gerät eine an der energiewirtschaftlichen Transformation interessierte Politik zunehmend unter Zeitdruck.

Verknüpft mit der Debatte über die Zielausrichtung wird sich, drittens, auch die Frage der unterstützenden Förderinstrumente für den Ausbau der erneuerbaren Energien stellen. Eine Reihe von Mitgliedstaaten hat ein großes Interesse daran, Zielsetzungen im Bereich der erneuerbaren Energien - sofern es sie geben wird - in erster Linie im Kontext des EU-Energiebinnenmarktes zu erfüllen. Mit einem gesamteuropäischen Fördermodell könnte eine Standortoptimierung bei der Nutzung erneuerbarer Energiequellen erfolgen. Die Attraktivität etwa von Solarprojekten, wie "Helios" im sonnigen Griechenland, würde erheblich steigen. Fördermittel könnten so effizienter genutzt werden. Auch die notwendigen Wachstumsimpulse in Südeuropa ließen sich auf diese Weise initiieren. Gleichzeitig könnte eine Europäisierung des Förderregimes aber auch zu Kürzungen der bislang lukrativen Förderung erneuerbarer Energien in anderen Regionen der EU, etwa in Deutschland, führen. Eine intensiv geführte Verteilungsdebatte wäre die Folge.

Für die weitere Entwicklung der erneuerbaren Energien sind die drei Themen Netze, Ziele und Fördermechanismen von enormer Bedeutung. Während Lösungen im Bereich der Infrastrukturplanung in erster Linie technischer Natur sind, wird die Zieldebatte die energie- und klimapolitischen Diskussionen der kommenden Jahre prägen. Eine Fortsetzung der bisherigen Zieltrias von Klimaschutz, Ausbau erneuerbarer Energien und Energieeffizienz wird sich unter den gegenwärtigen politischen Rahmenbedingungen und den zunehmend divergierenden Interessen der Mitgliedstaaten nur schwer durchsetzen lassen. Die Öffnung der Fördersysteme könnte jedoch am Ende des Tages als Hebel für eine Zustimmung zu neuen Zielen fungieren. Auch die deutsche Energiewende würde von einem robusten Rechtsrahmen auf europäischer Ebene mittel- und langfristig profitieren.

Severin Fischer forscht an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) u.a. zur EU-Energiepolitik. Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Artikel erscheint auf der SWP-Homepage in der Rubrik "Kurz gesagt".

Severin Fischer

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