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Sie teilen eine starke Tradition der Freiheitsliebe: Bundespräsident Joachim Gauck zu Gast beim polnischen Präsidenten Bronislaw Komorowski.

© dapd

Gauck in Polen: Die Freiheit, die er meint

Polen ist wichtig, nicht zuletzt als Brücke zwischen Europa, der Ukraine und Weißrussland. Der Bundespräsident hat daher recht, wenn er seine Landsleute auffordert, den Blick nach Osten zu richten.

Die Reise nach Polen ist für Bundespräsident Joachim Gauck, so abgegriffen diese Einordnung auch klingen mag, eine Herzensangelegenheit gewesen. Es war seine ganz persönliche Entscheidung, zuerst dem Nachbarn im Osten einen Antrittsbesuch zu machen. Sie erklärt sich aus Gaucks Lebensweg und aus der hohen Bedeutung, die der Begriff „Freiheit“ für den 72-jährigen, früheren Pfarrer hat, und aus dem aufrichtigen Bestreben, „die alten Lasten, die unsere Völker getrennt haben“ – so sagte Gauck es wörtlich – abzutragen.

Ohne den furchtlosen Einsatz der freien polnischen Gewerkschaft Solidarnosc für ein Leben in einem demokratischen Staat hätten die Bürgerrechtler in der DDR nicht die entscheidende Ermutigung erfahren. Wenn das deutsche Staatsoberhaupt jetzt in Warschau Polen als „das europäische Land der Freiheit“ bezeichnet, ist das keine hohle Phrase. Der Volksaufstand in der DDR 1953, das ungarische Aufbegehren gegen die sowjetische Vorherrschaft, der Prager Frühling von 1968 waren die allesamt gescheiterten, aber in keinem Fall folgenlosen Versuche, den europäischen Freiheitsraum Richtung Osten zu erweitern.

Der am guten Ende erfolgreiche Kampf der Solidarnosc gegen die Kommunistische Partei Polens ist so etwas wie der Schlussstein in diesem Gebäude der Freiheitsbewegungen gewesen. Wer könnte da aus reinerem Herzen Dankbarkeit empfinden als ein ehemaliger Bürger der DDR, der seine Freiheit letztlich eben auch durch die Tapferkeit der Polen erringen konnte?

Gaucks Lebensweg in Bildern:

Wenn Gauck seine Landsleute von Polen aus auffordert, sie sollten die gewohnte Blickrichtung nach Westen ändern und vom polnischen Nachbarn lernen, macht er auf den europäischen Perspektivwechsel seit dem Fall der Mauer aufmerksam. Der feste Blick nach Westen war ja nicht nur die Sichtweise der Bundesbürger, sondern auch die der DDR-Deutschen. Für die einen, weil über Jahrzehnte nichts auf ein Ende der kontinentalen Teilung in absehbarer Zeit hindeutete und die westdeutsche Staatsräson deshalb auf West-Europa ausgerichtet war. Die anderen, die Ostdeutschen, schauten nach Westen, weil es dort, von der Freiheit über den Rechtsstaat bis zum Wohlstand, alles gab, wonach sie sich sehnten.

Durch die außen- und europapolitische Koordination im „Weimarer Dreieck“, der von Hans-Dietrich Genscher ersonnenen Kooperation zwischen Frankreich, Polen und Deutschland aus dem Jahre 1991, wurde erfolgreich der Bogen zwischen den beiden Teilen Europas geschlagen, die jetzt wieder eins sind. Nun aber, auch das sagte Joachim Gauck zutreffend, hat Polen die Brückenfunktion zwischen der EU auf der einen und Osteuropa, vor allem der Ukraine und Weißrussland, auf der anderen Seite übernommen.

Dass wir heute, anders als noch vor wenigen Jahren, weder über die Vertriebenenpolitikerin Erika Steinbach noch über den längst vergangenen sektiererischen Präsidenten Lech Kaczynski streiten, zeigt, dass beide Länder auf einem guten gemeinsamen Weg sind.

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