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Meinung: Gefährliche Rettung

Von Ulrike Scheffer

Hat Otto Schily noch nicht genug? Warum stößt er eine Debatte über Auffanglager für Flüchtlinge in Nordafrika an – und bringt damit Grüne wie Linke in der SPD in neue Verlegenheit? Außenminister Joschka Fischer und Entwicklungsminister Heidemarie WieczorekZeul haben seinen Vorschlag umgehend zurückgewiesen. Der Koalition droht ein neuer Streit – über ein Thema, das mit dem schwierigen Zuwanderungskompromiss endlich abgehakt schien. Doch Schily hat mit seiner Reaktion auf die umstrittene Flüchtlingsrettung der Cap Anamur im Mittelmeer an eine Frage gerührt, die Grüne und Linke gern verdrängen: Wie sollen Wirtschaftsflüchtlinge abgeschreckt werden?

Tatsächlich sind nur die wenigsten, die sich aus Afrika auf den Weg nach Europa machen, politisch Verfolgte oder Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten. Die Flüchtlinge, die über das Mittelmeer kommen, sind in der Regel nicht in ihrer Heimat, sondern durch diesen gefährlichen Weg in Not geraten. Sie müssen gerettet werden, keine Frage – allerdings sollten nicht noch andere ermutigt werden, dieses Risiko auf sich zu nehmen.

Großbritannien hatte in der EU schon früher einen ähnlichen, weitergehenden Plan als den von Schily vorgelegt. Doch der verschwand schnell wieder in der Schublade. Auch Deutschland hatte ihn abgelehnt. Konkret geht es darum: Wie können wir Verfolgten ermöglichen, ohne Gefahr für Leib und Leben in Europa Asyl zu erhalten und gleichzeitig die Zahl der Wirtschaftsflüchtlinge verringern, die von skrupellosen Schleppern oft erst in Lebensgefahr gebracht werden? Das ist für Schily eine Frage der praktischen Humanität. Und auch die Grünen können dazu nicht politisch korrekt schweigen. Es reicht jedenfalls nicht, wie Fischer zu fordern, Europa müsse Afrika helfen, seine Krisen zu bewältigen. Die Opposition ist ebenso gespalten wie die Koalition: Während CDU-Chefin Angela Merkel und die CSU auf Schilys Vorstoß positiv reagierten, äußerten sich der CDU-Außenpolitiker Wolfgang Schäuble und FDP-Chef Guido Westerwelle ablehnend. Schily hat einen wunden Punkt berührt. Ob sein Vorschlag realpolitisch taugt oder nicht – vor der Umsetzung gibt es grundsätzlichen Klärungsbedarf.

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