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Gelassene Bürger braucht das Land: Der undramatische Stil von Thomas de Maizière

Wer unter Druck gerät, kann vor allem eines nicht gebrauchen: Ärger mit dem Chef oder der Chefin. Deswegen werden Innenminister de Maizière die Berichte wenig erfreut haben, wonach Angela Merkel über ihn verärgert gewesen sei.

Von Hans Monath

Unstrittig ist, dass der Minister die Kanzlerin erst über die Bomben aus dem Jemen informierte, als gesicherte Informationen darüber vorlagen. Strittig ist, ob Merkel ihm deshalb grollte. Am Montag wurde das aus der Regierung bestritten. Und zumindest verbindet die Regierungschefin und ihren früheren Kanzleramtschef nicht nur ein enges Arbeitsverhältnis, sondern auch ein ähnlicher politischer Stil, der bekanntlich jeder dramatischen Inszenierung misstraut.

Im Anti-Terror-Kampf profilierten sich de Maizières Vorgänger als harte Knochen. Von Otto Schily (SPD) ist ein Foto in Erinnerung geblieben, auf dem der behelmte Minister heftig den Polizeiknüppel schwingt. Wolfgang Schäuble (CDU) ärgerte mit Terrorwarnungen und der Dauerforderung nach schärferen Gesetzen sogar den Regierungspartner SPD. In den Augen liberaler Sicherheitspolitiker ging Schäuble an die Grenzen des Rechtsstaats: Er habe „Schwierigkeiten“ damit, dass ein Terrorist den gleichen Schutz durch das Grundgesetz genieße wie jeder Bürger, bekannte er einmal. Von alldem war bei de Maizière nichts zu hören gewesen, bevor er am Wochenende erstmals laut vor Anschlägen warnte.

Gemessen am üblichen Rollenverständnis versucht der amtierende Bundesinnenminister ein interessantes Experiment. In seinem Amt hat das zuletzt der liberale Gerhart Baum verfolgt – mit mäßigem Erfolg. Dabei ist es grundsätzlich ein Fortschritt, wenn ein Innenminister sein Handeln nicht nach den Bedürfnissen seiner Partei ausrichtet, sondern streng darauf schaut, was der Sicherheit nutzt. Das Grundgesetz schreibt ihm eben nicht vor, die Law-and-order-Sehnsüchte der SPD-Basis oder der Unions-Hardliner zu bedienen.

In Wirklichkeit stellt de Maizières Ansatz eine Frage an das ganze Land. Sind die Deutschen abgeklärt genug, um sich auch in Zeiten der Bedrohung von einem Innenminister gut beschützt zu fühlen, der dem Alarmismus nachhaltig widersteht? Oder verlangt die latente Bereitschaft zur Hysterie doch nach einem Politiker, der mit markigen Worten psychologische Mauern gegen die Angst errichtet? Der schnelle Wechsel, mit dem an einem Tag Einschränkungen der persönlichen Freiheit beklagt und am anderen angebliche oder echte Sicherheitslücken angeprangert werden, stimmt da wenig optimistisch.

Der Polizeiknüppel und der Ruf nach schärferen Gesetzen sind Aussagen, die jeder versteht. Die diffizilere Botschaft de Maizières verlangt dagegen besondere Sorgfalt und Transparenz. Wenn der Innenminister die Menschen nicht überzeugender anspricht als bisher, bringt er nicht nur Unruhe ins Land, sondern ruiniert den eigenen undramatischen Ansatz. Der hätte nach 30 Jahren einen erfolgreicheren Vertreter als Gerhart Baum verdient.

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