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Meinung: Gelogen oder Arbeit verweigert

Von Stephan-Andreas Casdorff

Richtig ist, die deutsche Energieversorgung sichern zu helfen – aber was jetzt alles bekannt wird, kann es nicht sein. Falsch war, dass Gerhard Schröder kein Jahr ins Land gehen ließ, ehe er begann den schnellen Rubel zu machen. So schnell, wie er sich von der Politik abwandte.Es gibt keinen geschriebenen Verhaltenskodex für ausgeschiedene Staatsleute, eine Art Kanzler-Knigge, aber es gibt ungeschriebene Gesetze. Man kann Helmut Kohl vieles nachsagen, aber an diese Gesetze hat er sich gehalten. Also: Gasprom, Ringier, Rothschild, was kommt als Nächstes? Das Geld ist Schröder zu gönnen; als Bundeskanzler und Vorstandschef der Deutschland AG wird man nicht eben ackermännisch bezahlt. Aber staatsmännisch auch ohne Amt zu bleiben, erfordert doch etwas anderes. Wer gewählt worden ist und dann elder statesman werden will, muss sich den Ruf erst verdienen.

Es ist tragisch, wie Schröder jetzt ins Gerede kommt. Neulich sagte der Kanzlerforscher Gregor Schöllgen noch, Schröder werde als „Reformkanzler“ ins Geschichtsbuch aufgenommen werden. Zwischen Geschichte und Geschichten ist aber ein Unterschied. Um es bei der jüngsten auf einen Satz zu bringen: Wenn der damalige Kanzler nichts von dieser nach Expertenauskunft seltenen Form der Bürgschaft wusste, die Gasprom erhielt, ist das schon schlimm. Sein vormaliger Wirtschaftsminister Wolfgang Clement nimmt ja gerade die Entscheidung auf sich. Aber wer kann das schon so richtig glauben: eine Entscheidung von dieser Tragweite, und der Chef weiß von nichts? Es sei denn, Schröder hätte von nichts (mehr) wissen wollen. Dann hätte er entweder so etwas wie Arbeitsverweigerung nach der verlorenen Wahl betrieben. Oder aber … Wenn er es wusste, wird es noch schlimmer.

Da summiert sich, was ungut wirkt. Der BND-Ausschuss fängt demnächst an, dann die Sache mit Gasprom: Nicht nur im Sinne von Rot-Grün ist zu wünschen, dass alle Vermutungen ad absurdum geführt werden können. Denn wenn nicht, erleben wir die Dekonstruktion der Reputation einer Bundesregierung. Was folgt, ist wachsende Politikerverdrossenheit im Land – und international. Dafür gibt es einen derben Spruch, der ganz gut auf Schröder passt: Man kann auch mit dem Hintern einreißen, was man vorher mit den Händen mühevoll aufgebaut hat. Wenn man sich zu schnell abwendet.

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