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Meinung: Genetisch uneins

Warum es nicht zu einem globalen Klonverbot kommen wird / Von Alexander S. Kekulé

WAS WISSEN SCHAFFT

Mitten im Sturm transatlantischer Verstimmungen weht in diesen Tagen ein Hauch von Harmonie über den großen Teich: Im Abstand von einer Woche sprachen sich die Volksvertreter Deutschlands und der USA für ein Totalverbot des Klonens von Menschen aus, jeweils mit beeindruckenden Mehrheiten. Danach soll nicht nur das „reproduktive“ Klonen verboten werden, mit dem wissenschaftliche Scharlatane und eine skurrile Sekte derzeit Menschen kopieren wollen. Unter Strafe gestellt werden soll auch das „therapeutische“ Klonen, mit dessen Hilfe Wissenschaftler eines Tages Ersatzgewebe zur Heilung schwerer Krankheiten züchten wollen.

Der deutsche Bundestag und das Abgeordnetenhaus der USA stehen damit unvermittelt Seite an Seite gegen die weltweite Mehrheit der Staaten, in denen der frühe Embryo für bestimmte Forschungsprojekte freigegeben ist. In den USA sieht der von George W. Bush massiv unterstützte Gesetzentwurf für das – dort derzeit erlaubte – therapeutische Klonen bis zu zehn Jahre Gefängnis vor; ob er den Senat passieren wird, ist allerdings fraglich. Der deutsche Bundestag geht – gegen die bisherige Linie des Kanzlers, des Außenministers und des Nationalen Ethikrates – noch einen Schritt weiter: Er will das in Deutschland geltende totale Klonverbot weltweit durchsetzen – per Resolution der Vereinten Nationen.

Die Chancen für ein Gelingen der weltverbesserischen Initiative sind jedoch denkbar gering. Nach dem Vorbild Großbritanniens, Israels oder Schwedens sehen neuerdings auch Indien, China, Südkorea und andere BiotechNachzügler in der Embryonenforschung ihre große Chance. Selbst die vom Christentum geprägten Industrieländer, ja nicht einmal die Kernländer Europas können sich einigen, ob 14 Tage alte Embryos nun im ethischen Sinne Menschen sind oder nicht: Dass ein paar Dutzend Embryozellen in der Petrischale Vorrang haben sollen vor der Hoffnung auf Heilung schwerer Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson, lässt sich vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Religionen und Kulturen der Vereinten Nationen nur schwer erklären.

Gegen das reproduktive Klonen gibt es jedoch derzeit einen erstaunlichen Konsens über alle Grenzen hinweg. Der Außenminister hat mit der deutsch-französischen Initiative zum Verbot des reproduktiven Klonens deshalb das einzig Richtige, weil einzig Machbare versucht: den globalen gemeinsamen Nenner festzuschreiben – solange es ihn noch gibt. Wenn Deutschland und die USA die Initiative nun blockieren, weil sie ihnen nicht weit genug geht, könnte das Fenster für einen bioethischen Minimalkonsens der Weltgemeinschaft für lange Zeit geschlossen sein.

Das totale Klonverbot lässt sich nicht global durchsetzen, weil die gemeinsame Bewertung von reproduktivem und therapeutischem Klonen nur im christlichen Kontext nahe liegend ist: Ob der frühe Embryo menschliche Seele und Würde hat, ist letztlich eine Glaubensfrage. Wer sie bejaht, muss gegen das therapeutische Klonen sein – und konsequenterweise auch Abtreibung, In-vitro-Fertilisation, Präimplantationsdiagnostik und die Spirale ablehnen. Im Gegensatz dazu beruht die Ablehnung des reproduktiven Klonens auf den universellen Menschenrechten, die unabhängig von Religion und Kultur in der Staatengemeinschaft akzeptiert sind: Das Herstellen eines Menschen aus kopierter Erbinformation ist ein massiver Eingriff in dessen Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung. Der gleiche universelle Ablehnungsgrund gilt auch für Keimbahneingriffe – die genetische Manipulation nachfolgender Generationen –, jedoch nicht für das therapeutische Klonen.

Die internationale Debatte ist deshalb so festgefahren, weil an der falschen ethischen Demarkationslinie gekämpft wird: Nicht die zwei Arten des Klonens, sondern das reproduktive Klonen und Keimbahneingriffe müssen weltweit verboten werden, weil sie die Menschenwürde verletzen. Damit wäre die transatlantische Harmonie allerdings schnell am Ende: In Europa sind Keimbahneingriffe streng verboten, in den USA sehen einflussreiche Biotech-Firmen darin ihre große Chance.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Martin-Luther-Universität Halle. Foto: J.Peyer

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