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Meinung: Genosse Iwan

Die SPD-Spitze hat mal wieder eine neue Idee – es ist: die alte

Man muss sich die deutsche Reformpolitik wohl so ähnlich vorstellen wie eine Kirmes: Hier hau den Lukas, dort ein paar Glücksschüsse aus verbogenen Läufen, den Irrgarten nicht vergessen und, ganz wichtig, das Spiegelkabinett. Zur Zeit ist auch Autoscooter schwer angesagt. Alles kurvt wild durch die Gegend, vorwärts, rückwärts und linksrechtsherum, immer bis zum nächsten schnellen Vollgummicrash. Der Eindruck der Fahrer: Alles wild in Bewegung. Die empirische Analyse: Da geht nichts voran. Und eine Ahnung: Die merken’s nicht mal.

Um die Restempörung der Linken über die Agenda 2010 mit einem neuen Papierberg voller Reiz-Reaktionsschlüsselwörter erdrücken zu können, hat eine Aktionsgruppe unter Führung des SPD-Generalsekretärs Olaf Scholz schnell noch „Iwan“ erfunden. Es geht, wie der Name schon sagt, um etwas Altbekanntes, nämlich um Innovation, Wachstum, Arbeit und Nachhaltigkeit. Dagegen ist ja eigentlich gar nichts zu sagen. Auf praktisches Deutsch übersetzt aber hört sich das schon etwas anders an: „Iwan“ bedeutet mehr Erbschaftssteuer, mehr Kapitalertragssteuer, mehr Steuern auf Gewinne bei Wertpapierverkäufen. Und auf Sozialdemokratisch heißt das nichts anderes als: Jetzt sollen „die Reichen“ mal ran.

Die Idee, die dahinter steckt, ist keine finanz- oder gar wirtschaftspolitische, sondern eine rein parteipsychologische. Die von SPD-Linken und Gewerkschaften als im klassischen Sinn kalt und ungerecht empfundene Agenda 2010 soll eine sozialdemokratische Perspektive – und so auch eine satte Mehrheit bekommen. Dazu passt, dass SPD-General Scholz seine Partei von prinzipienlosen Erneuerungseiferern umgeben sieht, was zugleich bedeutet, dass sein eigener Erneuerungseifer durchaus gewissen Prinzipien folgt. Im konkreten Fall: Wenn wir schon den Habenichtsen auf den Fuß treten müssen, dann auch den Tunichtguten.

Das gefällt den SPD-Linken natürlich. Ihre Sprecherin Andrea Nahles vermag sogar eine „Verbesserung der Grundlogik“ zu erkennen, was immerhin voraussetzt, dass es eine solche überhaupt gibt. Hat sie vergessen, was vor kurzem unter dem Stichwort Abgeltungssteuer schon alles verkündet wurde? Nein, alledem liegt kein schlüssiger Plan fürs Große und Ganze zugrunde. Das wirkt nicht nur ganz schnell zusammengeschustert, das ist es auch. „Iwan“ reicht allenfalls aus für eine weitere wüste Runde im Kreis. Die Hoffnung, die bleibt: dass denen irgendwann doch mal die Plastikchips für ihre Scooter ausgehen.

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