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Meinung: Gentechnik-Diskussion: Die Frauen mit der Mundharmonika

Die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und ihre künftige Staatssekretärin lassen verlauten, sie wollten eine Wende in der Gentechnologie - hin zu mehr Liberalität. Und damit das auch jeder glaubt, sollen ein Papier eingestampft, zwei Abteilungsleiter ausgetauscht und - welch kecker Mut - sogar eine Bundestagsdebatte anberaumt werden.

Die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und ihre künftige Staatssekretärin lassen verlauten, sie wollten eine Wende in der Gentechnologie - hin zu mehr Liberalität. Und damit das auch jeder glaubt, sollen ein Papier eingestampft, zwei Abteilungsleiter ausgetauscht und - welch kecker Mut - sogar eine Bundestagsdebatte anberaumt werden. In diesem Wende-Szenario sind drei Thesen enthalten: 1. Die Gentechnik-Politik von Ex-Ministerin Fischer war fundamentalistisch. 2. Die SPD hat diese Politik nicht mitgetragen. 3. Jetzt kommt etwas Neues.

Alle drei Thesen sind falsch. Das Ministerium von Andrea Fischer hatte Eckpunkte zu einem Fortpflanzungsmedizingesetz vorgelegt, das der Reform des Embryonenschutzgesetzes dienen sollte. Darin war in den ethisch heiklen Punkten zum Umgang mit Embryonen niedergeschrieben, was die großen Kirchen, die Mehrheit des Bundestages, die maßgeblichen deutschen Wissenschaftler und das Bundesverfassungsgericht bislang auch wollen: nämlich den Embryo, dem eine eigene Menschenwürde zugebilligt wird, davor schützen, zum bloßen Material von Forschung zu werden. Nur in einem einzigen Punkt vertritt Andrea Fischer eine Position, mit der sie möglicherweise in der Minderheit gewesen wäre: Sie will die Prä-Implantations-Diagnostik verbieten, also das Selektieren von Embryonen bei erblich stark belasteten Eltern.

Wenn die beiden SPD-Frauen ernstlich planen sollten, diesen vom Fischer-Ministerium formulierten Konsens aufzukündigen, dann darf man ihnen viel Vergnügen wünschen: Der Gegenwind, der dann entstünde, dürfte den Bundeskanzler, wie schon bei BSE geschehen, im Handumdrehen zum allerbravsten Bio-Konservativen machen.

Was also soll dann dieses ganze Schein-Wende-Manöver? Offenbar möchte die SPD bei der Gentechnologie den Sound ändern. Es soll irgendwie tatkräftiger klingen, pragmatischer und nicht so furchtbar ethisch. Macht das was? Schon: Denn die Gefahr bei der deutschen Diskussion um die Zukunft der Gentechnologie besteht weniger darin, dass eine zweifelhafte Liberalisierung nach englischem Vorbild bevorstünde. Die Gefahr besteht in einem rapiden Niveauverlust. Schon die Intervention des Kanzlers kurz vor Weihnachten fiel ein wenig hinter den erreichten Stand der Debatte zurück. Auch die ersten Äußerungen aus der SPD nach der Übernahme des Gesundheitsministeriums lassen nichts Gutes ahnen. Das wirkt alles ein bisschen wie der Versuch, Bachs H-Moll-Messe auf der Mundharmonika zu spielen.

Wobei Niveau hier keine Frage von Intellektualität ist, sondern von Aufrichtigkeit und gegenseitigem Respekt: Bei der Gentechnologie sind schwierige medizinische mit komplizierten ethischen Problemen verknüpft. Was geht und was nicht, darüber zu reden ist also anstrengend. Ein richtig verstandener Pragmatismus muss diese gesellschaftliche Debatte darum zu gegebener Zeit in die Tat umsetzen. Ersetzen oder abwürgen kann er sie nicht. Jedenfalls nicht, ohne die Gewissensgrundlagen dieser Gesellschaft zu zerreißen. Und das will die SPD doch nicht. Bestimmt nicht.

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