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Es geht abwärts mit Berlins Schulen, meint Martenstein.

© dpa

Gescheiterte Schulpolitik: Berlins teure Analphabeten

In der vierten Klasse kann in Berlin jeder vierte Schüler so gut wie gar nicht lesen oder rechnen. Einer der Gründe: Das Wort Leistung gilt mancherorts geradezu als Verstoß gegen die Menschenrechte. Harald Martenstein über Berlins größtes Desaster.

Die deutschen Grundschulen sind von unabhängigen Wissenschaftlern getestet worden. Sie haben die Bundesländer verglichen. Erwartungsgemäß kam dabei heraus, dass die Berliner Schulen am schlechtesten sind. In der vierten Klasse kann in Berlin jeder vierte Schüler so gut wie gar nicht lesen oder rechnen. Das liegt nicht an der Sozialstruktur oder an dem hohen Migrantenanteil, auch nicht an Geldmangel. Wenn man andere Großstädte testet, deren Sozialstruktur ähnlich ist wie die von Berlin, sind die Ergebnisse besser. Die Schulen müssen nur in einem anderen Bundesland liegen, schon geht es. Und in Berlin können sogar die Akademikerkinder schlechter lesen als Akademikerkinder anderswo. Es liegt an der Berliner Schulpolitik, dies darf als erwiesen gelten, Entschuldigungen und Ausreden funktionieren nicht.

Dieses Desaster finde ich tausendmal schlimmer als das Flughafendesaster. Mithilfe von Tegel kann man sich auch ohne den neuen Flughafen irgendwie durchwursteln. Aber Schulen, die etwa so gut funktionieren wie der neue Flughafen, nämlich gar nicht, und die massenhaft Analphabeten hervorbringen, sind eine soziale Katastrophe, die jahrzehntelang nachwirkt. Jedes Jahr spucken die Berliner Schulen junge Menschen aus, die für viele Millionen Euro zu Analphabeten ausgebildet wurden, und von denen dann einige, perspektivlos, verroht und dumm, andere junge Menschen totschlagen.

In der „Zeit“ haben die Tester sich zu möglichen Ursachen des Desasters geäußert. Sie sprechen von sogenannten „Reformen“, wie der Einschulung von Fünfjährigen oder dem jahrgangsübergreifenden Lernen, die aus ideologischen Gründen und nach dem Prinzip „Trial and Error“ eingeführt werden, ohne zu prüfen, wie sich das auf die Leistungen der Schüler auswirkt. Insgesamt gebe es dort, wo die Schule ins Desaster führt, vor allem zu wenig Leistungsorientierung. Das Wort „Leistung“ gilt ja mancherorts geradezu als Verstoß gegen die Menschenrechte.

Lehrer sollen keine Fehler korrigieren, Lehrer sollen keine Noten geben, weil sie damit womöglich Kinderseelen verletzen. In Wirklichkeit ist zum Lernen manchmal ein wenig Druck erforderlich, in Maßen natürlich, Druck, der sehr menschenfreundlich ist, wenn er den Kindern ein späteres Leben als Analphabet und Dauerarbeitsloser erspart.

Die Tester sagen, dass es immer schwieriger wird, Testaufgaben zu finden. Es gibt einfach keine Fragen mehr, die so einfach sind, dass man sie allen Berliner Grundschülern vorlegen könnte. Vielleicht, das ist meine Idee, könnte man den Berliner Kindern eine „1“ zeigen und sie dann angstfrei und autonom darüber diskutieren lassen, ob es sich bei diesem Symbol um eine Zahl oder einen Buchstaben handelt.

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