zum Hauptinhalt
Waffen shoppen, beinahe wie im Supermarkt. In den USA ist es wie hier in Kansas möglich. Handfeuerwaffen und Gewehre töten mehr Menschen als Panzer und Raketen.

© dpa

Gescheitertes Waffenhandelsabkommen: Lieber keinen Vertrag als diesen

Der Waffenhandel braucht Kontrolle. Doch was die UN-Konferenz in New York erarbeitet hat, hätte die Lage noch verschlimmert.

Von Michael Schmidt

Die UN-Konferenz zur Kontrolle des globalen Waffenhandels ist gescheitert, und das ist gut so. Nicht, weil das Geschäft mit dem Tod keine Kontrolle bräuchte, im Gegenteil. Sondern weil der Entwurf, der nach vier Wochen Beratung in New York schließlich zur Abstimmung stand, derart viele Schwächen hatte, dass man erleichtert stoßseufzen möchte: Lieber kein Vertrag als dieser.

Wären es nicht die USA gewesen, die, regiert vom Friedensnobelpreisträger Barack Obama und unter dem Druck der National Rifle Association die Verhandlungen platzen ließen – Deutschland und die europäischen Staaten hätten das Projekt, um sich selbst und ihren Ansprüchen treu zu bleiben, vor die Wand fahren lassen müssen. Am besten mit großem Kawumm und verbunden mit der Botschaft: Hier ist eine Grenze unterschritten, jenseits derer sich der Vertrag selbst ad absurdum führt.

Das Abkommen hätte global auf kaum absehbare Zeit Standards ins Werk gesetzt, die jene Europas unterbieten. Die europäischen Standards wiederum unterbieten die deutschen. Im Namen der Wettbewerbsgleichheit wären die relativ strengen Richtlinien hierzulande durch den Vertrag früher oder später vonseiten der Rüstungsindustrie unter Druck geraten – und eher früher als später aufgeweicht worden.

Nun mag man, ja muss man den in New York Verhandelnden zugutehalten, dass es ihnen zum Schluss gelungen ist, ein großes Problem des internationalen Waffenhandels gegen enorme Widerstände in den Vertragsentwurf aufgenommen zu haben: die Kleinwaffen. Sie sind es, die unzähligen Pistolen, Gewehre und Granaten in den Händen von Terroristen, Rebellen und Kriminellen, denen täglich rund 1000 Menschen zum Opfer fallen. Sie sind am weitesten verbreitet, sie sind die tödlichsten Waffen. Tödlicher als alle Kriegsgroßgeräte wie Panzer, Kampfflugzeuge, U-Boote. Und deutlich schwieriger zu kontrollieren. Der Verkauf eines Flugzeugträgers bleibt nicht unbemerkt, der Handel mit Schnellfeuergewehren hingegen vollzieht sich im Verborgenen.

Dieses Problem immerhin wollte man angehen. Das zweite große Problem aber sollte ausgeklammert werden: die Munition. Ohne Munition kein Krieg. Munition ist das, was bewaffnete Konflikte am Laufen hält. Es sind die Patronen, die Pistolen und Gewehre erst zu Waffen machen. Den Verkauf von Munition zu kontrollieren und einschränken zu können, hätte einen echten Unterschied gemacht. Der weltweite Handel mit Schusswaffenmunition übertrifft noch erheblich die Geschäfte mit Schusswaffen. Dennoch gab es bisher kaum internationale Regeln, wohin und wofür Munition geliefert werden darf – und das wird auch so bleiben. Eine Vertragslücke, eine Unterlassung der UN-Konferenz-Teilnehmer, die Menschen in von Armut, Krisen und Bürgerkriegen betroffenen Ländern mit ihrem Leben bezahlen.

Hätte ein Waffenabkommen den Amoklauf von Denver verhindert?

Das in Aussicht genommene Abkommen krankt zudem ganz grundsätzlich an einer allzu naiven Vorstellung von den Möglichkeiten einer wirksamen Kontrolle. Hätte es das Waffensammeln des Amokläufers von Denver verhindert? Nein, weil das nationale Selbstverständnis der Amerikaner dem entschieden entgegensteht. Hätte es die Weitergabe libyscher Waffen an Aufständische und Kriminelle auch in den Nachbarstaaten verhindert? Nein, weil Kontrolle einen funktionierenden Staat voraussetzt, einen, der Waffen zählt und den Handel mit ihnen überwacht. Hätte es den Bürgerkrieg in Syrien kleinhalten können? Nein, weil der Staat selbst Konfliktpartei ist und als Kontrolleur ausfällt, und weil der politische Wille der Lieferstaaten, Russlands, der USA und anderer, sich über etwaige Exportrichtlinien ganz einfach hinwegsetzt.

Was also ist zu tun? Es dabei belassen, dass die Einfuhr einer Banane in die EU besser reguliert wird als der globale Waffenhandel? Natürlich nicht. Deutschland und die Europäer müssten der Einsicht zum Durchbruch verhelfen, dass jedes wie auch immer geartete Waffenhandelsabkommen ein Rumpf bleiben muss, wenn es nicht flankiert wird von einer Strategie im Kampf gegen die Ursachen von Konflikten. Dazu gehörten Maßnahmen zur Demobilisierung, Entwaffnung und Re-Integration irregulärer Kämpfer in die Arbeitsgesellschaft ihrer Heimatländer.

Und Deutschland und Europa könnten in Sachen Kontrolle vorangehen. Könnten sich verpflichten, Waffen und Munition nur noch an Nato-Partner und Verbündete in Not zu liefern. Könnten, wie es bei Landminen und Streumunition der Fall ist, eine Koalition der Willigen bilden, die sich strengere Regeln gibt – und andere einlädt, sich anzuschließen. Und sie könnten – und sie werden – weiter darauf dringen, zu einem globalen Vertrag zu kommen, der ein starker ist, ein umfassender, einer der Kontrollmöglichkeiten definiert – und bei Verstößen auch Sanktionen vorsieht.

Man wird sich wieder treffen. Spätestens im Herbst bei der UN-Vollversammlung. Dort reicht eine Zweidrittelmehrheit. Die Neinsager werden die anderen, die mehr wollen, nicht länger aufhalten können.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false