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Meinung: Gestern war nur ein Tag

Ein weiterer Versuch, die Regierung zu verstehen. Heute: der Kanzler und das Geld

Deutschland kann aufatmen. Wir haben ihn wieder, unseren Kanzler, wie wir ihn kennen. Gutmütig und jovial, schlagfertig und lebensfroh, selbstironisch und gut gelaunt. So, wie er früher einmal war, bis der Wahlkampf 2002 ernstlich begann und ihm den Spaß austrieb. Gerhard Schröders Jahresauftakt am Dienstag war der Versuch eines Regierungschefs, sich mit seinem entfremdeten Volk zu versöhnen. Ich bin wieder nett, gut aufgelegt, zu Scherzen bereit – nun sei du, lieber Wähler, doch auch wieder nett!

Reden wir über Inhalte. Sprechen wir über den Pakt, den der Kanzler seinem Volk vorschlug. Blicken wir auf die Paragrafen der Versöhnung, die Schröder und die Deutschen wieder einen soll. Da sind die leidigen Reformen. Hier gilt, dass wir stolz darauf sein können, was wir alles bereits geleistet haben, denn andere müssen es uns da noch nachtun. Dem Kanzler fiel die Rente ein: Wir haben die Anstrengung hinter uns, die den anderen noch bevorsteht.

Ansonsten, in Stichworten: Die Verschuldung wird nicht erhöht, die Arbeitslosigkeit kann so drastisch gesenkt werden, wie Wolfgang Clement es verspricht, am Haushalt 2003 sind keine Änderungen nötig, für Angst vor einem Irak-Krieg ist es viel zu früh, das Drei-Prozent-Kriterium der Staatsverschuldung wird diesmal nicht gerissen, und es gibt keine weiteren Steuererhöhungen. Soweit Schröder.

Gibt es eigentlich jemanden, der vom neuen Freundlichkeitspakt zwischen Kanzler und Volk ausgeschlossen ist? Steht jemand außen vor? Kapiert jemand nicht, dass doch alles irgendwie gut wird?

Hans Eichel vielleicht. Da haben die Koalitionäre, die Fraktionsspitzen und dann auch Ministerkollegen des obersten Kassenwartes recht offen über eine höhere Neuverschuldung spekuliert oder sie gar für notwendig erklärt. Immerhin wankt ja die Wachstumsprognose, auf die diese Regierung ihr Fundament namens Koalitionsvertrag und Regierungsprogramm gestellt hat. Am Montag schwenkte Eichels eigenes Ministerium auf den neuen Kurs um. Der Kurs heißt „Schulden statt Sparen“. Er brächte den Stabilitätspakt in Gefahr, aber erst recht das Konsolidierungsziel der Regierung, bis 2006 gänzlich ohne neue Schulden auszukommen. Und er entzöge der Sinngebung dieser Regierung den Boden, denn Rot-Grün war ja angetreten, um zu beweisen, dass die Linke mit Geld umgehen kann.

Schröders Kanzleramtsminister griff zum Telefon und blies zur Rettung Eichels: Schluss mit der Kakophonie, kein weiteres Bekritteln der Konsolidierung, auch wenn die – und damit Eichel - bei großen Teilen der SPD täglich unpopulärer wird. Schröder erklärte, Eichel werde gleich verkünden, dass es keine höhere Neuverschuldung geben wird. Und siehe, so kam es.

Das war am Dienstag. Was heute kommt, wissen wir nicht. Wir wissen aber, dass die Demontage Eichels und der Schuldenstreit zeigen, auf welch tönernen Füßen vieles steht, was Schröder sagt. Von seinem „Willen zur Besserung“ sprach der Kanzler. Er bezog es auf den Vorwurf, 2003 sei er allzu griesgrämig und bärbeißig geworden. Die Abschaffung von Beruhigungspillen kündigte er nicht an. Nein: Die Lage sei besser als die Wahrnehmung derselben. Sagt der Kanzler. Hier sollte er Besserung geloben. Denn es gibt viele in Deutschland, die überzeugt sind, dass nicht die Wahrnehmung das Problem ist. Sondern die Lage der Regierung.

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