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Meinung: Gesundheit: Gute Stimmung, leere Kassen

Die Gesundheitsministerin hat wenig Grund zum Lachen. Nach den heftigen Konflikten ihrer Vorgängerin Andrea Fischer mit Ärzten und Pharmaindustrie wollte Ulla Schmidt (SPD) endlich wieder Ruhe in die Gesundheitspolitik bekommen.

Die Gesundheitsministerin hat wenig Grund zum Lachen. Nach den heftigen Konflikten ihrer Vorgängerin Andrea Fischer mit Ärzten und Pharmaindustrie wollte Ulla Schmidt (SPD) endlich wieder Ruhe in die Gesundheitspolitik bekommen. Eine Zeit lang sah es so aus, als würde die Charmeoffensive der fröhlichen Rheinländerin wirken. Doch nun holt die Wirklichkeit die Ministerin ein. Die Beiträge der Krankenkassen steigen, die Kosten für Arzneimittel explodieren. Ulla Schmidt muss damit rechnen, als neue Schwachstelle im Kabinett zum Sündenbock zu werden, dass es Rot-Grün nicht gelingt, die Lohnnebenkosten zu senken.

Dabei kann man Schmidt wahrlich nicht allein dafür verantwortlich machen, dass die Beiträge steigen. Wegen lange überfälliger Strukturreformen hat sich im Kessel so viel Druck aufgebaut, dass die Kassenmanager angesichts leerer Kassen den Versicherten mehr Geld aus der Tasche ziehen müssen. Dieser Druck ist nicht neu. Doch auch Schmidt hat dazu beigetragen, dass die steigenden Beiträge jetzt zu so einem verheerenden öffentlichen Echo führen.

Erinnern wir uns: Kaum im Amt, signalisierte sie den Ärzten mit ihrer Offensive des Lächelns das Ende der Bescheidenheit. Als Geste guten Willens kippte sie den ungeliebten Kollektivregress der Ärzte, mit dem Vorgängerin Andrea Fischer die Budgetierung bei den Arzneimitteln durchsetzen wollte. Sicher, so wie er konzipiert war, hätte sich dieser Kollektivregress nie durchsetzen lassen. Doch die neue Ministerin strich die Regelung und schaffte die Budgets gleich mit ab, ohne gleichzeitig andere wirkungsvolle Maßnahmen zur Kostenbegrenzung bereit zu halten. Die Folge: Die vom Sparzwang vorerst befreiten Ärzte lächeln, und die Kosten für Arzneimittel explodieren.

Eine schlechte Figur macht Schmidt derzeit auch bei der Reform des Risikoausgleichs zwischen den Krankenkassen. Sie wollte einen Mindestbeitrag von 12,5 Prozent, um den Wettbewerbsvorteil der kleinen Betriebskrankenkassen gegen die großen Versorgerkassen zu mindern. Doch die Grünen machten nicht mit - und setzten sich auch durch. Wie oft hatte es aus der SPD-Bundestagsfraktion Querschüsse gegen die Politik der grünen Andrea Fischer gegeben? Fischer und die Grünen wissen ein Lied davon zu singen. Jetzt bekam Ulla Schmidt zu spüren, wie es aussieht, wenn der Koalitionspartner einem das Leben schwer macht.

Der Stimmungswechsel der ersten Monate, den Schmidt als freundliche Gesprächspartnerin bei Ärzten, Pharmaindustrie und Kassen erreichte, ist verflogen. Die Probleme lassen sich nicht weglächeln, und Reformen sind notwendig. Schließlich schneidet das deutsche Gesundheitssystem im internationalen Vergleich nicht gut ab. Es ist nach den USA zwar das teuerste System, aber die Versorgung ist in weiten Bereichen schlechter als in vergleichbaren EU-Ländern. 4,2 Millionen Menschen arbeiten im Gesundheitssystem, 500 Milliarden Mark werden Jahr für Jahr umgesetzt. Wenn so ein System in die Krise gerät, dürfte das eine Regierung eigentlich nicht kalt lassen.

Doch was macht die Ministerin? Ein klares Wort war von ihr bislang nicht zu hören. Den Konflikt mit den im Gesundheitswesen besonders kämpferischen Lobbyisten scheut sie. Schmidt lädt die Interessengruppen lieber zum netten Plausch am runden Tisch. Sinnvolle Debatten mag das fördern. Aber es erspart der Ministerin nicht, eine eigene klare Linie zu finden. Sie kann keine wirkungsvolle Reform ad hoc durchsetzen. Aber sie muss laut sagen, was nach 2002 kommen soll. Sonst müssen die Versicherten - und damit die Patienten - nur mehr bezahlen, ohne dass irgend etwas für sie besser wird.

Carsten Germis

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