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Bundesgesundheitsminister will erreichen, dass Patienten das Arzthonorar vorstrecken.

© dpa

Gesundheitspolitik: Einstieg in die Dreiklassenmedizin

Die Idee, dass Patienten ihre Arztrechnung selbst bezahlen und von den Krankenkassen erstatten lassen, ist völlig weltfremd und spaltet die Kassenpatienten in zwei Gruppen. Ein Kommentar.

Auf eine solche Idee können nur Politiker kommen, die den Kontakt zu den Lebenswelten vieler Menschen in Deutschland völlig verloren haben. Oder sie führen etwas ganz anderes im Schilde. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler will für Kassenpatienten das Kostenerstattungsprinzip attraktiver machen. Patienten sollen einfacher als bisher selbst mit ihren Ärzten abrechnen können, um sich anschließend das Geld von ihrer Krankenkasse zurückzuholen. Der FDP-Politiker erklärte zwar, die Einführung solle freiwillig erfolgen, zugleich betonte er jedoch, dass er dieses Prinzip ausbauen wolle. Dies kann nur heißen, dass die Kostenerstattung entweder irgendwann zur Regel werden soll oder dass Patienten mit finanziellen Anreizen geködert werden. Die gesetzlichen Kassen sollen sich nach Ansicht von Rösler damit stärker an dem Vorbild der privaten Krankenkassen orientieren. So schön, so weltfremd.

Denn wie soll das funktionieren? Es mag auch unter den gesetzlich Versicherten Patienten geben, die ihrem Arzt problemlos den einen oder anderen Hunderter überweisen können, um anschließend auf die Erstattung durch ihre Krankenkasse zu warten. Aber es gibt viele Millionen Patienten, die dies nicht können. Geringverdiener, Hartz-IV-Empfänger oder viele Rentner leben finanziell von der Hand in den Mund, sie haben am Ende des Monats in der Regel nicht das Geld übrig, um dies dem Gesundheitssystem vorzustrecken.

Natürlich sind mehr Transparenz und mehr Kostenbewusstsein im Gesundheitssystem längst überfällig. Eine Patientenquittung, auf der der Arzt die Art und die Kosten der Behandlung dokumentiert, könnte sicherlich dazu beitragen, Abrechnungsbetrug würde erschwert.

Wer Geld auf den Tresen legt, wird bevorzugt behandelt

Doch das Kostenerstattungsprinzip bedeutet nicht nur einen gigantischen zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Es macht zudem auch nur Sinn, wenn der Gesundheitsminister zumindest mittelfristig die Kassenpatienten in zwei Gruppen teilen will: in solche Patienten, die in finanzielle Vorleistung treten und in solche, die sich dies nicht leisten können. Neben den Privatpatienten gibt es dann auf der einen Seite Kassenpatienten, die eine Rechnung verlangen und von denen die Ärzte wissen, dass sich diese auch noch die eine oder andere Zusatzbehandlung, die von den Kassen nicht erstattet wird, aufschwatzen lassen. Auf der anderen Seite gibt es dann die armen Patienten, die weiter ihre Versichertenkarte vorzeigen.

Es gehört wenig Phantasie dazu, sich auszumalen, dass Ärzte die Patienten, die das Geld auf den Tresen legen, bevorzugt behandeln. Bei Privatpatienten ist dies heute schon regelmäßig der Fall. Der Verdacht, dass der Gesundheitsminister genau darauf hinarbeitet, drängt sich auf. Schließlich eröffnet auch die Einführung der pauschalierten Krankenkassenbeiträge die Möglichkeit, zukünftig zwischen einfachen Basis- und teureren Wahlleistungen bei der Krankenversicherung zu differenzieren. Das Ganze nennt man dann wohl Dreiklassenmedizin.

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