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Meinung: Glaubwürdig geht anders

Von Ingrid Müller

Glaubwürdigkeit ist ein hohes Gut – vor allem, wenn man mit anderen verhandeln will. Die jüngste Tagung des EU-Energierats legt allerdings den Schluss nahe, dass die Energie- und Wirtschaftsminister nicht wissen, wie man dieses Wort buchstabiert. Damit, dass sie keinen Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch festschreiben, sondern nur eine unverbindliche Empfehlung abgeben wollen, konterkarieren sie ihre Staats- und Regierungschefs. Die haben sich festgelegt, dass die Erderwärmung auf maximal zwei Grad begrenzt werden soll. Das setzt aber allerhand schützende Maßnahmen voraus. Wo wir aber mit freiwilligen Bekenntnissen landen, haben wir alle gerade beim unwürdigen Streit um die Auto-Abgaswerte gesehen. Beim Energierat haben wohl nicht nur die auf Atomstrom fixierten Franzosen unheilvoll Einfluss genommen. Offenbar haben auch die Energiekonzerne, die mit ihren abgeschriebenen Anlagen Geld verdienen wie nie zuvor, den Ministern ihre kurzfristige betriebswirtschaftliche Sicht aufgeschwatzt. Vattenfalls Europa-Frontmann Klaus Rauscher, dessen schwedischer Chef Klimaberater der Bundesregierung ist, warnt vor einem festen Anteil erneuerbarer Energien und singt gleichzeitig das Hohelied auf die Windkraft. Scheinbar ist er also unverdächtig. Doch sein Konzern investiert bisher kaum in Offshore-Windparks.

Verheerend ist das Brüsseler Signal für die Verhandlungen über das Kyoto-Nachfolgeprotokoll und die Klimakonferenz, die gerade in Washington läuft. Dort redet die EU auf die Amerikaner ebenso ein wie auf die Entwicklungs- und Schwellenländer, sich an der Reduzierung des klimafeindlichen Kohlendioxids zu beteiligen. Doch wenn Europa es nicht schafft zu beweisen, dass Wohlstand mit sehr viel weniger endlichen Rohstoffen möglich ist, warum sollen sich Brasilien, China und Indien dann auf klimafreundliche Energien einlassen? Sie wollen das Recht in Anspruch nehmen, auch einmal gut zu leben. Machen sie aber weiter wie bisher, sieht es verdammt finster fürs Weltklima aus. Die EU-Staats- und Regierungschefs mit Angela Merkel an der Spitze müssen also bei ihrem Gipfel im März den Beschluss des Energierats kassieren und einen verbindlichen Anteil erneuerbarer Energien festschreiben. Wie wollen sie sonst glaubwürdig bleiben?

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