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Meinung: Grenzen zeigen

Warum Deutschland zu Polens Kaczynski-Brüdern nicht länger schweigen sollte

Deutschland gegen Polen. 13,17 Millionen Fernsehzuschauer sehen zu, wie Handballfans aus Ingolstadt während des WM-Finales einen Riesenbanner enthüllen: „Liebe Polen, ihr könnt unsere Autos haben, den Titel aber nicht“. ARD-Kommentator Florian Nass schweigt. Internet-Foren schwärmen seitdem über „det geile Plakat“ aus der Kölnarena.

Auch von Polens Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski und seiner Außenministerin Anna Fotyga hören wir dieser Tage einfache Weisheiten. Deutsche Behörden betrieben eine „Assimilierungspolitik“ gegenüber Polen, die in Deutschland lebten, behauptet Fotyga allen Ernstes. Das zeige sich in Scheidungsfällen, wo Kindern verboten werde, sich bei Treffen mit dem polnischen Elternteil in ihrer Muttersprache zu unterhalten. Für Fotyga wird darin „der Geist unserer schweren Vergangenheit“ lebendig. Ihr Chef Kaczynski stellt Deutschland die rhetorische Frage, ob es die Geschichte umschreiben wolle, „um einen Teil der Verantwortung von den Tätern auf die Opfer abzuwälzen“.

Die Reaktion auf derartige Ausfälle in Deutschland ist die gleiche wie auf das stumpfsinnige Plakat aus Ingolstadt: Schweigen. Sollen die doch reden, die sprechen sowieso nicht für die Mehrheit – Aussagen wie diese hört man häufig von deutschen Politikern. Andere Stimmen verweisen auf das innenpolitische Klima Polens, in dem Debatten oft mit erbarmungsloser Härte geführt werden – getreu dem Motto „irgendwas bleibt schon hängen“.

Bevor nun allerdings tatsächlich etwas hängen bleibt im deutsch- polnischen Verhältnis, sollte sich Berlin ernsthaft überlegen, ob die Gentleman-Allüre des Schweigens gegenüber Warschau nicht etwas anderes ist: nämlich völlig kontraproduktiv. Deutsche Politiker dulden mit ihrem Stillhalten gegenüber reaktionärem Getöse im eigenen Land (etwa der CDU-Politikerin Erika Steinbach, die ohne erkennbare Reaktion kürzlich über polnische Vertreibungsfantasien vor der Hitlerzeit räsonierte) und gegenüber polnischen Spitzenpolitikern genau das, was überwunden zu sein schien: die Rückkehr nationalistischer Denkmuster.

Wie es anders geht, zeigte Kanzlerin Angela Merkel beim Besuch Jaroslaw Kaczynskis in Berlin vor einigen Monaten. In aller Form machte sie ihrem Gast deutlich, dass Berlin nicht vorhabe, private Entschädigungsklagen Vertriebener vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu unterbinden. Die Klärung des Eigentumsrechtes ist schließlich eine Aufgabe Polens.

Mit derselben Deutlichkeit sollten deutsche Politiker auch andere polnische „Vorschläge“ öffentlich als unbegründet zurückweisen. Einzelfälle im deutschen Familienrecht, die im Übrigen auf Polen genauso wie auf Amerikaner oder Franzosen angewendet werden, als deutschnational zu brandmarken, ist absurd. Genauso wie jüngste Forderungen aus Warschau, polnischen Einwanderern in Deutschland einen Minderheitenstatus zu gewähren.

Deutschland ist sich seiner historischen Verantwortung gegenüber Polen bewusst. Aus schlechtem Gewissen heraus jedoch jeden Unsinn aus Warschau zu erdulden, nützt nur der PR-Abteilung der Kaczynski-Brüder.

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