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Meinung: Grenzerfahrung einer Supermacht

Es war eine schlechte Woche für Bush – womöglich auch für den Rest der Welt

Für die US-Regierung war es eine desaströse Woche. Präsident George W. Bush redete sich den Mund fusselig über die Gefährlichkeit des irakischen Regimes. Außerhalb Amerikas blieb das ohne Folgen. Er verkündete gestenreich, für Saddam Hussein sei es fünf Minuten vor zwölf. Der Rest der Welt blieb ganz gelassen. Wenn es viele Tage lang fünf Minuten vor zwölf ist, liegt offenbar eine Zeitdehnung vor, die auch Wochen, Monate oder Jahre dauern kann. Alle Warnungen des mächtigsten Mannes der Welt verpufften.

Außenminister Colin Powell erging es nicht besser. Sein Auftritt vor der Uno, der als grandiose Entlarvungsaktion des Diktators von Bagdad gedacht war, verhallte folgenlos. Viel Spekulation, nichts Neues, wissen wir längst, konstruierte Zusammenhänge: Die Welt sah sich in ihrer Skepsis eher bestätigt. Die Russen legten am Freitag gar ein Gegendokument vor, mit dem sie einige US-Behauptungen widerlegen wollen. Und selbst Chefinspektor Hans Blix ließ es sich nicht nehmen, Powell mit ein paar Nebensätzen zu düpieren. Sein Team habe keine Hinweise darauf, sagte Blix, dass den Irakern die Inspektionsorte vorher bekannt gewesen seien. Selbst das neue Tonband mit der Stimme Osama bin Ladens vermochte Washington nicht propagandistisch zu nutzen.

Ein Debakel erlebte ebenfalls Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Auf der Münchner Sicherheitstagung wurde er – wie dilettantisch auch immer inszeniert – mit einem neuen Friedensplan konfrontiert. Der lag zwar nur als Zeitungsartikel und als Gerücht vor, der Wirbel darum vermasselte Rumsfeld jedoch die Show. Joschka Fischer war es schließlich, der das diffuse europäische Unbehagen in einem Satz griffig formulierte: „Ich bin nicht überzeugt.“ Diesen Eindruck teilen auch Frankreich, Russland und China. Das sind drei der fünf Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat.

So reihte sich Schlappe an Schlappe. Vor zwei Wochen, nachdem 18 europäische Länder demonstrativ ihre Solidarität mit den USA bekundet hatten, hieß es in Washington noch trimphierend, nun seien Frankreich und Deutschland isoliert. Inzwischen hat sich das Bild – verstärkt auch durch die Hunderttausende, die am Wochenende europaweit für den Frieden auf die Straßen gingen – verändert. Plötzlich scheinen sich Amerika, plus der arme Tony Blair, in der Defensive zu befinden.

Doch ist das eine gute Nachricht? Die Antwort auf diese, die entscheidende Frage steht nicht fest. Durch die Entwicklung fühlen sich jene in der US-Regierung bestätigt, die den Gang zur Uno schon immer für einen Fehler gehalten haben. Das sind in erster Linie Vizepräsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Rumsfeld. Ihr Albtraum - Amerika tapst mit beiden Füßen durch einen endlosen diplomatischen Morast – wird plötzlich wahr. Ihre Neigung zu einem Alleingang nimmt wieder zu. In den Augen der Welt mögen die USA isoliert sein, durch die amerikanische Brille betrachtet ist es vor allem Colin Powell, der einzige bekennende Multilateralist in der Regierung, dessen Politik vor dem Scheitern steht. Seine Hoffnung, dass es den USA gelingt, eine große internationale Koalition schmieden zu können, schwindet.

Deshalb wird es demnächst wohl einen letzten, fast schon verzweifelt anmutenden Versuch Powells geben, den Sicherheitsrat von der Notwendigkeit einer zweiten Resolution zu überzeugen. Falls sich Frankreich oder Russland dieser Initiative verweigern, aktivieren die USA das „Bündnis der Willigen“. Das wäre das Kosovo-Modell – ein Krieg ohne ausdrückliche UN-Ermächtigung. Für Europa allerdings, die Nato, die Uno und die Stabilität im Nahen Osten wäre das der „worst case“. Vielleicht war diese Woche nicht nur für die US-Regierung desaströs, sondern für die ganze Welt.

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