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Deutliche Worte fand Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch vor dem Europäischen Parlament.

© AFP

Griechenland: Merkels Wutrede: Wer zahlt, mahnt an

Am Mittwoch hat Angela Merkel vor dem Europaparlament eine wütende Rede gehalten. Die richtete sich nicht nur an die Griechen, sondern vor allem auch ans deutsche Publikum.

Es war eine Abrechnung ganz eigener Art. Offenbar ist es an Angela Merkel nicht ganz spurlos vorbeigegangen, dass in der Euro-Krise viele Zerrbilder der deutschen Regierungschefin entstanden sind: Auf dem Titelbild eines britischen Magazins fand sie sich als „Terminator“ Europas wieder, der angeblich einen ganzen Kontinent in die Depression treibt. Der französische Sozialist Arnaud Montebourg, inzwischen immerhin Industrieminister, warf ihr vor, sie wolle „den Euro töten“. Und bei griechischen Demonstranten ist der Nazi-Vergleich nie fern.

Nun hat Merkel mit bemerkenswerter Offenheit ihre Sicht der Dinge dargelegt. Im Europaparlament wies sie den Vorwurf vehement zurück, dass der von Deutschland verordnete Sparkurs die Euro-Zone ins Verderben treibe. Stattdessen richtete sich der Zeigefinger der Kanzlerin auf das Epizentrum der Krise – nach Griechenland.

Merkels Analyse ist kaum etwas entgegenzusetzen. So richtig ihr Vorwurf ist, dass der griechische Staat massive Probleme beim Steuereintreiben hat, so gerechtfertigt ist auch ihre Kritik an der Ineffizienz des Verwaltungsapparats. Von dem Hang nicht weniger Griechen, auf die Straße zu gehen, statt endlich die Reform ihres verrotteten Systems anzugehen, gar nicht zu reden. Die Botschaft von Merkels Philippika ist klar: Nicht Deutschland ist für die Schieflage der Euro-Zone verantwortlich, sondern die Krisenländer selbst, allen voran Griechenland.

Es ist schon wahr, dass bei allen Beteiligten nach drei Jahren griechischer Dauerkrise allmählich die Nerven blank liegen. Immer drängender stellt sich die Frage, ob der bisherige Kurs mit immer neuen Rettungspaketen und immer neuen Einschnitten ins soziale Netz überhaupt irgendwann zum Ziel führt – zur Rettung Griechenlands.

Nun wird man Merkel trotz ihrer harten Worte wohl kaum vorwerfen können, sie verhalte sich anmaßend gegenüber den griechischen Hilfsempfängern. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Gerade weil die Kanzlerin und Finanzminister Wolfgang Schäuble Griechenland im Euro halten wollen, haben sie und die übrigen Geldgeber ein Recht darauf, weitere Reformen in Athen anzumahnen.

Trotzdem bleibt Merkels Rechtfertigungsrede im Europaparlament irritierend – vor allem wegen des Zeitpunkts. Schließlich hatte es zuletzt aus der Bundesregierung noch Hinweise gegeben, dass der seit fünf Monaten amtierende griechische Regierungschef Antonis Samaras endlich damit anfange, die verkrusteten Strukturen in seinem Land aufzubrechen.

Und deshalb drängt sich ein Verdacht auf: Nicht nur Samaras ist der Adressat von Merkels Wutrede, sondern auch die deutsche Öffentlichkeit. Diese soll auf keinen Fall den Eindruck bekommen, dass die Bundesregierung weiteren Griechenlandhilfen ohne Gegenleistung zustimmen könnte – und gleichzeitig weiterhin eine Fortsetzung des Rettungskurses mittragen.

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