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Sigmar Gabriel und Angela Merkel zeigen sich höchst zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen den GroKo.

© dpa

GroKo nach Merkels Regierungserklärung: Kein Grund für allzu viel Selbstbewusstsein

Merkel beginnt jetzt ihre dritte Amtszeit, und sie sieht dabei aus wie jemand, der eine Ehrenrunde dreht, der stolz auf das Erreichte ist und mit der Flagge auf dem Rücken nach dem Sieg durch das Stadiom läuft. Doch abseits ihrer schönen Worte schlummern Probleme größerer Dimension.

Von Antje Sirleschtov

Sie hat viel Richtiges gesagt, die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung zum Auftakt dieser Amtszeit. Dass es Deutschland wirtschaftlich noch nie so gut gegangen ist wie heute zum Beispiel und dass nirgendwo in Europa so viele Menschen Arbeit haben wie hier. Das ist richtig, genauso wie ihr Befund, dass wir die sichersten Sozialsysteme der Welt besitzen und die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise ohne gravierende soziale Verwerfungen hinter uns lassen konnten.

Ein Gefühl diffuser Sicherheit

Ja, diesem Land geht es alles in allem wirklich gut, und Angela Merkel hat zweifellos ihren Anteil daran. Sie hat den schweren Tanker acht Jahre lang durch harte Zeiten gelenkt und gegen manchen Angriff von außen verteidigt. All das hat Merkel im Bundestag beschrieben. Und wie so oft hat sie es geschafft, ihrem Publikum ein Gefühl diffuser Sicherheit und Gewissheit zu geben, dass sie auch künftig niemandem mit der Mühsal politischer Auseinandersetzungen zu Leibe rücken wird. Es war die Beschreibung eines Status quo. Eines guten auf jeden Fall. Aber eben nur das. Merkel beginnt jetzt ihre dritte Amtszeit, und sie sieht dabei aus wie jemand, der eine Ehrenrunde dreht, der stolz auf das Erreichte ist und mit der Flagge auf dem Rücken nach dem Sieg durch das Stadium läuft.

Solch große Zufriedenheit aber kann für die Zukunft des Landes nicht gut sein. Denn abseits der schönen Worte vom dauerhaften wirtschaftlichen Aufschwung, der sinkenden Staatsschuld und der Aussicht auf die große Gerechtigkeit, die die große Koalition mit dem Mindestlohn für alle, der Rente für Mütter und anderem mehr schaffen will, schlummern Probleme größerer Dimension, die es zu lösen gilt. Und auch, wenn so ein Urteil nach noch nicht einmal überstandenen 100 Tagen nicht sehr gerecht ist: Was da auf das Bündnis von Union und SPD zukommt, ist alles andere als ein Programm, das man mit stolzem Blick auf das bisher Erreichte und mit dem Glauben einer Koalition an die Kraft der eigenen Größe bewältigen kann.

Ein nahendes Unwetter zieht auf

Da ist allein die Energiewende – ein Projekt, das wegen des allgemeinen Konsenses der Deutschen zur Abschaltung der Atomkraftwerke eigentlich zu stemmen sein sollte. Zumal eine große Koalition ja auch große Kompromissfähigkeit bedeuten und Interessen einzelner Länder einbinden kann. Aber bereits das Echo der anschwellenden Kritik der Betroffenen an den Reformplänen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hört sich in Berlin wie ein nahendes Unwetter an. Jeder hat eigene Interessen, niemand will bezahlen, und es wird gedroht über alle Parteigrenzen hinweg. Gut möglich, dass nicht einmal einem Gespann wie Merkel und ihrem Vizekanzler Sigmar Gabriel von der SPD die dringend notwendige Reform gelingt. Und was dann folgt, ist klar: Die Energiewende wird verschoben, Atommeiler bleiben länger am Netz.

Große Koalitionen können Garanten für die Lösung großer Aufgaben sein. Aber sie sind es nicht per se. Weshalb für allzu viel Selbstbewusstsein der großen Koalition kein Grund besteht. Und das nicht nur beim Thema Energie. Man muss nur Handwerker fragen, wie viele junge Leute sich noch auf einen Ausbildungsplatz bewerben, dann ahnt man, was uns blüht, wenn der bisher so freundlich klingende „demografische Wandel“ Alltag wird: Arbeitskräftenot, geringeres Wachstum, Zuwanderung. Der Reizsatz: „Wer betrügt, der fliegt“, ist nur ein Vorbote der sozialen Auseinandersetzungen, die dann vor uns liegen. Große Aufgaben für diese große Koalition.

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