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Verstehen sich offenbar gut: Vizekanzler Sigmar Gabriel und Kanzlerin Angela Merkel in Meseberg.

© dpa

Große Koalition: Das Lächeln von Meseberg

Union und SPD vermeiden Streit, weil beide Koalitionspartner verlässlich wirken wollen. Nur auf diese Weise kann Sigmar Gabriel Kanzler werden - und auch die Union muss den Beweis des guten Regierens immer wieder neu erbringen.

Von Antje Sirleschtov

So weit also ist es schon gekommen mit dem Ruf der Politiker. Da trifft sich eine Regierung vier Wochen nach der Vereidigung, um in zweimal halbtägiger Klausur über die Themen des laufenden Jahres zu beraten, und wie lautet ihre einzige Botschaft: Man versteht sich prima und will gut miteinander arbeiten. Ja, was denn sonst? Aus diesem Grund haben die Wähler doch die große Koalition gewählt. Von einer Regierung als Plattform parteipolitischer oder persönlicher Profilierung hatten sie nach vier schwarz-gelben Jahren die Nase voll. Ein Bündnis der großen Parteien schien ihnen besser geeignet, mit den Problemen umzugehen. Denn – wie klug der Wähler doch ist – in dieser Konstellation haben wenigstens beide ein Interesse daran, sich als verlässliche Sachwalter der deutschen Interessen zu beweisen.

Das freundliche Lächeln und gegenseitige „Danke“ und „Bitte“ der politischen Kontrahenten im Schloss in Meseberg sollte man deshalb auch nicht allzu ernst nehmen. CDU und CSU bleiben auch in den nächsten vier Jahren im Kern Gegner von Sigmar Gabriels SPD und umgekehrt. Was die drei im Augenblick eint, ist nichts weiter als die Notwendigkeit, sich den Deutschen als verlässliche Bank einer Regierung zu beweisen: Ruhig, an der Sache interessiert und zuverlässig. Denn eines hat sich gezeigt: Mit der Regierungsbildung betrauen die Wähler einen verlässlichen Kandidaten, von dem sie erwarten, dass er das große Schiff „Deutschland“ sicher durch tiefe Gewässer und kräftige Stürme führt. Beide Seiten, Union und SPD, müssen diesen Beweis in den nächsten vier Jahren erbringen. Und dazu brauchen sie sich gegenseitig, denn Zank und Streit bleiben selten bei einem allein hängen.

Warum Sigmar Gabriel die Harmonie des Regierens braucht und jedem Versuch sozialdemokratischer Profilierung auf Kosten des Koalitionspartners tunlichst widerstehen wird? Er muss für sich und seine Partei in den vier Jahren einen Ruf der Grundanständigkeit erarbeiten, um einem rot-rot-grünen Projekt überhaupt eine Chance zu eröffnen. Wer will schon von einer Mischung aus alten DDR-Kommunisten und Öko-Spaßbremsen regiert werden? Wenigstens eine der drei linken Parteien wird am Wahltag 2017 zweifelsfrei Regierungskompetenz vorweisen müssen. Was bisher ja auch durchaus gelingt. Eine umstrittene Renten- und eine nicht minder umstrittene Energiereform ohne viel Zank vier Wochen nach der Regierungsbildung: Das nennt man eine effiziente Regierung der SPD-Minister. Und ganz nebenbei: Sah der SPD-Vorsitzende bei der Abschlussveranstaltung in Meseberg neben Angela Merkel nicht schon beinahe wie ein Kanzler aus?

Die Besetzung dieses höchsten Amtes ist übrigens der Grund, warum auch die Union den Beweis des verlässlichen Regierenden immer neu erbringen muss. Denn so schön es war, sich an den Seriositätsbonus von Frau Merkel anlehnen zu können, so groß ist die Gefahr, dass sie denselben mitnimmt, wenn sie das Zepter übergibt. Und wenn 2017 wieder um Stimmen gekämpft wird, dann muss der gute Ruf an der CDU kleben. Mesebergs Lächeln war also bei Nahem betrachtet der Auftakt zur nächsten Bundestagswahl.

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