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Meinung: Große Leere

Hans Eichels Finanzpaket ist das Eingeständnis seiner Handlungsunfähigkeit

Von Antje Sirleschtov

Irgendwie gruselig: Jeder in diesem Land spürt, dass der deutsche Wirtschaftsmotor nicht auf Touren kommt. Neue Arbeitsplätze und satte Steuermilliarden wird es so bald nicht geben. Deshalb muss die Bundesregierung schon wieder gewaltige Haushaltslöcher stopfen. Und weil man das spürt, hatte man vom Finanzminister in diesem Herbst ein deutliches Zeichen erwartet. Ein überzeugendes Programm für Deutschland im nächsten Jahr. Etwas Ambitioniertes, Reformerisches, das der Agenda-Botschaft dieser Regierung zu folgen scheint, nach der wir jetzt durch ein tiefes Tal schreiten müssen, damit es bald wieder besser wird. Auf jeden Fall aber etwas, das den Menschen und Investoren Hoffnung gibt.

Nun liegt Hans Eichels Paket auf dem Tisch, man prüft seine eigene Reaktion und fühlt – nichts. Weder zustimmende Zuversicht noch ablehnende Wut. Es tut noch nicht einmal weh. Kann das wirklich der richtige Weg aus dem krisenhaften Tal der deutschen Ökonomie sein? Ein Beitrag der Regierung für Investitionen, Arbeitsplätze und Schuldenabbau, eine erste Empfehlung gar für die nahenden Wahlen in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und dann auch im Bund 2006?

Hans Eichel spricht einmal mehr vom Sparen. Er nimmt den Menschen im öffentlichen Dienst kurz vor Weihnachten die Hoffnungen auf einen Lohnzuwachs, was weder für die noch für den schwächelnden Einzelhandel eine wirklich frohe Botschaft ist. Und er verfrühstückt kurzfristig Milliardenbeträge, mit denen Post und Telekom eigentlich erst in den nächsten Jahrzehnten die Steuerkasse füllen sollten, was vor allem die junge Generation wenig erfreuen wird. Das war’s dann auch schon. Sieht man mal von der skurrilen Idee der Feiertagskürzung ab, die aus Sicht der Finanzämter sowieso von marginaler Bedeutung bleiben wird, dann bleibt nichts übrig, worüber es ernsthaft zu reden gilt. Nichts.

Erinnerungen werden wach. An das Jahr 2002, als Eichel in seinem eigenen Umfeld zum ungeliebten Fiskalisten wurde, dessen politische Zukunft am seidenen Faden hing. Damals stand Eichel auf der Rücktrittsliste, weil er politisches Porzellan zerschlug. Weil er zu viel Veränderung wollte und die Menschen damit vor den Kopf stieß. Heute schlägt sein Kurs ins genaue Gegenteil um. Eichel erklärt, ohne die Hilfe der Opposition ließe sich in diesem Land finanzpolitisch nichts mehr bewegen. Nichts! Das ist nichts anderes als das Eingeständnis der Handlungsunfähigkeit. Dass sich die Politstrategen der Union dabei (lautlos) gröhlend auf die Schenkel klopfen können, macht es auch nicht besser. Eichel hat an diesem 4. November die weiße Fahne gehisst.

Andere werden dieses Vakuum am Kabinettstisch nutzen. Es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig. Schließlich will die Koalition in zwölf Monaten nicht wieder schulterzuckend Milliardenlöcher mit Milliardenschulden füllen und dem ungläubig staunenden Publikum die Mär von Wachstum und Jobs durch rot-grüne Politik offenbaren. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Schlacht der Befreiungskrieger im sozialdemokratischen Lager von Neuem anhebt und von grüner Seite je nach Interessenlage befeuert wird. Die Metapher dafür kennen wir alle: Investitionsprogramme, Sonderhilfen für den Mittelstand, Forschungsmillionen und teure Familien-Bonbons. Jobs werden sie uns versprechen und Wohlstand, während sie bekämpft werden von den glühenden Verfechtern der energischen Steuersenkung mit anschließendem Selbstfinanzierungs-Wirtschaftsboom.

Die Saat dafür ist gelegt. Der Angriff auf die Brüsseler Kommission und damit auf die einzige Barriere für unvernünftige nationale Politik – den Stabilitätspakt – ist bereits eröffnet. Was uns, den Arbeitnehmern, Arbeitslosen, Unternehmern und Angestellten, das alles bringen wird, ist leider auch schon abzusehen: Nichts.

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