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Grüne: Brückenbau bricht Brücken ab

Die Grünen wähnen sich unverwundbar – als wären sie längst eine Volkspartei. Doch zunächst einmal muss Landespolitik gemacht werden.

Von Anna Sauerbrey

W as ist grün, scheinbar nicht aufzuhalten und hinterlässt viele Scherben? Nein, nicht Hulk. Gemeint ist die grüne Partei. Die scheint sich den Weg zur Volkspartei zu bahnen, als hätte sie, ebenso wie die Comicfigur, irgendwo zu viel Gammastrahlung abbekommen und seitdem übernatürliche Kräfte. Die SPD haben die Grünen schon im vergangenen Herbst fröhlich winkend überholt. Nun schleichen sie sich an die Union heran, wie eine Forsa-Umfrage zeigt. Nur noch drei Prozentpünktchen und Hulk wird Kanzler. Oder?

Ganz so einfach wird es nicht. Denn auf dem Weg ins Kanzleramt wird erst einmal Landespolitik gemacht. Und dort werden gerade alte und neue Allianzen in Scherben geschlagen.

In Rheinland-Pfalz gaben die Grünen Anfang der Woche bei der Präsentation des Koalitionsvertrags mit der SPD bekannt, man werde, entgegen aller Versprechen, die umstrittene Moselbrücke mitbauen. Wie teuer, kompliziert und letztlich unmöglich der Stopp der laufenden Bauarbeiten wäre, habe man erst in den Koalitionsverhandlungen festgestellt. Zu dumm.

Ähnlich ging es Winfried Kretschmann mit dem Stuttgarter Bahnhof. In Baden-Württemberg wird nun ein grüner Verkehrsminister das umstrittene Bauprojekt umsetzen. Vielleicht wird es ja auch ein grüner Ministerpräsident sein, der ein atomares Endlager im Südwesten auf den Weg bringt. Die Bereitschaft hat Kretschmann schon signalisiert.

Auch in NRW sind die Grünen in der Bredouille. Im Ruhrgebiet setzten sie im Wahlkampf auf sozialpolitische Themen, um neue Wähler zu gewinnen. Der „Green New Deal“ sollte Arbeitsplätze schaffen. Studiengebühren sollten verschwinden. Nur stellte sich der rot-grüne Haushalt als verfassungswidrig heraus: zu teuer das soziale Engagement, zu viele Schulden.

Vielleicht nähren die Grünen die Illusion von Unverwundbarkeit aus ihrer Hamburger Erfahrung. Haben sie nicht bei der Bürgerschaftswahl im Februar 1,6 Prozentpunkte hinzugewonnen – obwohl eine grüne Umweltsenatorin ein Kohlekraftwerk genehmigt hatte – entgegen allen Wahlversprechen? Und obwohl ihnen die Hamburger nur ein halbes Jahr zuvor per Volksentscheid mitgeteilt hatten, was sie von grüner Schulpolitik hielten, nämlich nichts?

Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, Kompromisse zu schließen. Das ist Politik. Doch anders als oft geschrieben sind die Grünen noch längst keine Volkspartei mit breiter Stammwählerschaft. Sicher sind ihnen nach wie vor nur die besserverdienenden Städter, die auch in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg das Gros der Wähler stellten. Sie können es sich daher nicht leisten, ihr altes Klientel zu verprellen. Und auch die neuen Wähler wollen gepflegt sein. Diejenigen, die Grün wählten, weil die Partei mit Bürgerinitiativen und Protestbewegungen kooperiert hat: die Bahnhofsgegner in Stuttgart, die aus der bürgerlichen Mitte stammen und die Moselwinzer und Brückengegner, die bisher CDU-Klientel waren.

In Hulk steckt immer noch Bruce Banner. Und der ist verwundbar.

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