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Grünen-Vorsitz: Mann wie Ratzmann

Ratzmann, Dati, Palin: Mehr Familie in der Politik war noch nie. Warum der Karriereverzicht des Grünen Volker Ratzmann zum familienpolitischen Signal taugt.

Von Hans Monath

Mehr Familie in der Politik war noch nie und mehr Umbruch im Rollenbild von Männern und Frauen erst recht nicht. Im siebten Monat schwanger, schreitet die spanische Verteidigungsministerin Carme Chacon im Kriegsland Afghanistan die Reihen ihrer Soldaten ab. In Paris zeigt diese Woche Justizministerin Rachida Dati ganz offiziell ihren wachsenden Bauch der Presse, verrät aber partout den Namen des Vaters nicht. Jenseits des Atlantiks entscheidet derweil Bristol Palin, die 17-jährige schwangere Tochter von John McCains Vizepräsidentenkandidatin Sarah Palin, mit über die Chancen des republikanischen Duos im Kampf ums Weiße Haus.

Deutschland bietet immerhin Volker Ratzmann auf. Der Berliner Fraktionschef verzichtet auf seine Kandidatur als Parteivorsitzender der Grünen, um mehr Zeit für sein noch ungeborenes Kind zu haben. Denn dessen Mutter, eine Bundestagsabgeordnete der Grünen, soll weiter politische Karriere machen.

Von allen Seiten schlägt Ratzmann nun Respekt entgegen, was zeigt: Die alten Vorstellungen über die Aufgaben von Männern und Frauen in der Erziehung sind in Bewegung geraten in einem Land, in dem inzwischen jeder sechste Vater für sein Kind eine berufliche Auszeit nimmt. Nur selbstverständlich ist es offenbar noch nicht, dass auch einmal ein Mann in herausgehobener öffentlicher Funktion das tut, was viele andere Väter schon erproben. Selbst die „Bild“-Zeitung, die bisher als Vorkämpferin der Gleichberechtigung der Frau keinen Ruf zu verlieren hatte, druckt eine Liebeserklärung an den Politiker, dem die Familie wichtiger ist als die Karriere: „Solche Männer braucht das Land.“

Auch die Bundesfamilienministerin lobt den Berliner als Vorbild. Ursula von der Leyen hat selbst immerhin sieben Kinder und macht seit Jahren Politik. Sarah Palin, die Vizepräsidentenkandidatin der US-Republikaner, managt ihren Job als Gouverneurin von Alaska mit fünf Kindern. Was die Frage aufwirft, ob nicht nur Frauen generell, sondern speziell auch Mütter vielleicht doch die härteren Kerle sind. Denn ganz ausschließlich für sein Kind da sein will Volker Ratzmann ja auch nicht: Er verzichtet nur auf den Job als Bundeschef der Grünen, nicht auf den des Berliner Fraktionschefs.

Im Lichte der jüngsten Ereignisse stellt sich auch die Frage, ob Christian Wulff vor wenigen Wochen nicht doch einen schweren Fehler begangen hat. Damals erklärte Niedersachsens Ministerpräsident überraschend seinen Verzicht auf höhere Ambitionen und begründete dies mit dem Satz, er traue sich das Amt des Kanzlers schlicht nicht zu. Dieses Statement erschien manchen sympathisch, anderen unehrlich und rief deshalb ein ganzes Heer von Ausdeutern auf den Plan.

Ach, hätte Christian Wulff nur erklärt, dass er aus Rücksicht auf sein im Frühsommer geborenes zweites Kind verzichtete, das ihn andernfalls ja nur aus der „Tagesschau“ kennenlernen könne. Kanzler der Herzen wäre er dann geworden. Und dieses Amt traut sich doch wohl auch ein Papa zu.

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