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Meinung: Grüner wird’s nicht

Joschka Fischers Partei hat keinen Platz mehr im SPD-Drehbuch zur Bundestagswahl

Der SPD-Vorsitzende erwähnte ihre Namen nicht, als er zum Thema Koalitionsaussage gefragt wurde: die Grünen. Fast zur gleichen Zeit hielt Joschka Fischer die erste Rede im Vorgefühl auf den kommenden Wahlkampf. Sein Szenario: die drohende Kälte einer schwarzen Republik. Das will die SPD eigentlich für sich pachten. Parallel lieferte FDP-Chef Guido Westerwelle die schwarz-gelbe Koalitonsaussage ab, während Angela Merkel in der CDU immerhin schon zur halbformellen Kanzlerkandidatin wurde.

Was wird aus den Grünen? Der bevorstehende kurze Bundestagswahlkampf wird zum Überlebenskampf des sozialdemokratischen Kanzlers und wahrscheinlich zum Triumphzug einer neuen Koalition. Die Rolle, die für die Grünen im urspünglichen Drehbuch für die nächste Bundestagswahl stand, gibt es nicht mehr. Da war einmal das Spitzenduo Schröder/Fischer vorgesehen, das der Bundeskanzler schon 2003 ausgerufen hatte. Die Grünen waren zudem auf Zugewinn bei den Wahlen abonniert, für die Erfolgsaussichten einer schwachen Koalition ein psychologisch wichtiger Faktor. Und programmatisch, inhaltlich? Irgendwie galten die Grünen, die kleine beweglichere Partei, immer als der Reformmotor dieser Koalition.

Joschka Fischers Ansehen hat unter der Visa-Affäre so gelitten, dass sehr fraglich ist, wie weit er zum Zugpferd eines personalisierten Wahlkampfs noch taugt. Diese Karte wird Schröder allein ausreizen. Mit dem 6,2-Wahlergebnis ist das Gewinner-Image auf der Strecke geblieben. Und Reformmotor? Der Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen hat den Eindruck erweckt, dass vor allem die Wähler, die im Reformprozess die Zumutungen ertragen müssen, die Grünen eher für unzeitgemäßen Luxus halten.

Tatsächlich war dieser Ruf immer mehr Behauptung als Realität. Fischers Absturz auf der Popularitätsskala ist nicht die ganze Erklärung für die Wahlverluste im größten Bundesland. Er hat aber wie ein Katalysator zutage gefördert, wie wenig die Grünen zu dem Projekt beizutragen haben, das sich hinter dem Rücken der rot-grünen Akteure zur wichtigsten Aufgabe dieser Koalition entwickelt hat: die Reform der Arbeits- und Sozialordnung. Wie eine klassische Funktionspartei haben die Grünen mit dem beliebten Vizekanzler die Verluste abgemildert, die der SPD dabei nicht erspart bleiben konnten – mehr aber auch nicht.

Die grünen Wähler sind schwer zu verstehen. In den ersten vier Regierungsjahren, als mit Atomausstieg, doppelter Staatsbürgerschaft und schwuler Ehe realisiert wurde, was einmal als rot-grünes Projekt galt, hat die grüne Partei bei den Landtagswahlen eine Niederlage nach der anderen eingesteckt. Ab 2002, als dieser Vorrat ausgeschöpft war, eilte sie bei ihren Wählern von Sieg zu Sieg. Bis zum letzten Sonntag. Die Wähler wollten den rot-grünen Traum weiterträumen. Doch vom Projekt ist eben seit langem nur noch die Koalition übrig gegblieben. Ersatz dafür ist nicht in Sicht.

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