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Sie verstehen sich demonstrativ gut: Berlins Regierender Wowereit (l.) und CDU-Chef Henkel.

© Reuters

Gut so: Rot-Schwarz bringt Berlin Schwarzbrot statt Kaviar

Die künftige Berliner Koalition hat sich dem Verzicht auf Ideologie verschrieben. In der Arbeitslosenhauptstadt setzen SPD und CDU auf Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft. Das allein genügt jedoch nicht.

Hier kommt zusammen – nein, nicht, was zusammengehört, aber was funktionieren kann. Es gibt wenig Zweifel, dass die Parteitage von SPD und CDU heute dem Koalitionsvertrag zustimmen. Manch Sozialdemokrat erinnert nun daran, dass es bei der ersten großen Koalition, als man nach dem Mauerfall die geteilte Stadt zusammenfügen musste, doch ganz gut gegangen sei mit der CDU. Ein Neuanfang ganz anderer Art ist es auch jetzt, nach zehn Jahren Rot-Rot. Allein die Vielzahl der Vorhaben auf 98 Seiten belegt, welchen Stillstand die letzten fünf Jahre Rot-Rot bedeutet haben. Die Nachdrücklichkeit, mit der nun in der Arbeitslosenhauptstadt auf Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft gesetzt wird, bestätigt nachträglich alle Unternehmer, die in den vergangenen Jahren beklagten, dass sie in Berlin nicht willkommen seien.

Die Koalition hat der Versuchung widerstanden, sich etwa als Gesundheitsstadt oder Stadt der Green Economy zu visionieren. Aufgetischt wird Schwarzbrot, nicht Kaviar. Gut so, weil es die Aufgabe klarmacht: alles nur Mögliche tun, was Berlin voranbringen kann. Der Verzicht auf Ideologie ist deswegen die heimliche Überschrift für das Projekt. Dazu gehört der Abschied vom teuren öffentlichen Beschäftigungssektor, der keine Jobs im ersten Arbeitsmarkt schafft, oder der Verzicht auf das Straßenausbaubeitragsgesetz mit seinem Neidimpetus gegen Hausbesitzer. Und die CDU hat akzeptiert, dass es weder verbeamtete Lehrer gibt noch einen Religionsunterricht.

Noch fehlen dem Aufbruch die Gesichter. CDU-Landeschef Frank Henkel hat einen desolaten Haufen so modernisiert, dass das Schmuddelkind zum Vorbild für die darbende CDU-Bundespartei geworden ist, was die Neugewinnung der Mitte angeht. Er wird nach dem auf Sicherheit zentrierten Wahlkampf um das Amt des Innensenators nicht herumkommen. Welch weiten Weg die CDU gegangen ist, verdeutlicht Henkels Vorgänger: Ex-Parteichef Ingo Schmitt wirkt mit seinem Interesse an einem Staatssekretärsposten wie ein Gespenst aus grauer Urzeit.

Die Ambitionen des Senats müssen sich vor allem an zwei Ressorts erweisen: am der SPD zugeschlagenen Bereich Bildung/Wissenschaft sowie dem um Technologie/Forschung aufgewerteten Wirtschaftsressort, das die CDU besetzt. Die Sorgen der Universitäten über die Trennung von Wissenschaft und Forschung sind ernst zu nehmen. Aber neue Zuschnitte gab es immer. Aktuell erhält die Stadtentwicklung vernünftigerweise wieder den Bereich Umwelt, früher gab es Arbeit/Technologie neben Wissenschaft/Forschung. Der Bildung wurde die Wissenschaft erst 2006 zugeschlagen, für den aus Rheinland-Pfalz geholten Supersenator Jürgen Zöllner. Das kann der Hebel sein, um dieser Koalition Esprit und Innovation einzuhauchen: bewussten Wettbewerb zu schaffen in den beiden Bereichen und mit hervorragenden Köpfen das Potenzial Berlins auszuschöpfen, sowohl beim Technologiezentrum auf dem Flugfeld Tegel als auch bei der Ansiedlung von wissenschaftsbasierten Betrieben.

Am Donnerstag stellt sich Wowereit dem Parlament zur Wiederwahl; die Senatoren werden in 14 Tagen präsentiert. Noch tun sich beide Partner schwer, die Zukunftsressorts zu besetzen; vor allem die CDU hat Mühe, eine reine Männerriege zu vermeiden. In der gewonnenen Zeit liegt eine Chance für die beste, nicht die naheliegendste Lösung. Die Koalition hat sich dem Pragmatismus verschrieben – die Personalsuche ist das Feld, um zu glänzen. Hier darf es gerne Kaviar sein.

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