zum Hauptinhalt
Dichtgemacht: Die Haasenburg-Heime

© dpa

Haasenburg-Heime: Buden mit Betreuung

Nach der Haasenburg-Affäre sollte gelten: Alle geschlossenen Heime müssen besser kontrolliert werden. Und therapeutische Konzepte sollten überarbeitet werden - denn an deren Wirksamkeit wird sich der Erfolg der Jugendarbeit messen.

Streng reglementieren, einsperren, am Boden fixieren: So stellt sich, grob verkürzt, der Umgang mit problematischen Kindern und Jugendlichen in den Brandenburger Haasenburg-Heimen dar. Jugendministerin Martina Münch gibt sich den Anschein äußerster Entschlossenheit: Den Heimen soll die Betriebserlaubnis entzogen werden. Mit Kollegen aus anderen Bundesländern will die Ministerin diskutieren, wann „Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf“ (amtsdeutsch) eingesperrt und welchen „Zwangsmaßnahmen“ sie unterzogen werden dürfen.

Münch hat Glück gehabt, dass eine Handvoll Jugendlicher die Vorgänge in den Haasenburg-Heimen bekannt gemacht hat. Wer weiß, wozu es – außer Knochenbrüchen – sonst noch gekommen wäre, ohne dass Mitarbeiter der Heimaufsicht eingeschritten wären. Wer den Bericht der Haasenburg-Untersuchungskommission liest, nimmt der Ministerin auch ab, dass sie das Papier mit Beklommenheit gelesen habe. Tatsächlich sind die Untersuchungsergebnisse bedrückend, differenziert – und zukunftsweisend. Wie weit Zwang und Freiheitsentzug bei schwierigen Jugendlichen gehen sollen, ist durchaus ein bundesweites Thema. Nicht alle Jugendpolitiker befassen sich gern damit. Deshalb fanden sich in den Haasenburg-Heimen ja Jugendliche aus fast allen Bundesländern. Nur Ideologen der Jugendpolitik werden behaupten, die – strengen – Prinzipien der Haasenburg-Pädagogik seien prinzipiell falsch. Zur Erinnerung: In Berlin, wo sich die Jugendpolitiker besonders lange besonders schwer damit taten, über ein geschlossenes Heim auch nur zu diskutieren, gab es mal eine „Bude ohne Betreuung“. Der Verzicht auf jeden Zwang machte innerhalb von zehn Jahren zwei wirklich üble Gewalttaten möglich, bis sich der Senat zu einer „Evaluierung“ entschloss. Heute heißt die Bude ohne Betreuung „Übergangsprojekt“. Es setzt vor allem auf Freiwilligkeit.

Der Skandal rund um die Heime: Sehr viel Geld für therapeutische Konzepte

Auch das kann richtig und vernünftig sein, vorausgesetzt, es geht mit der wachen Aufmerksamkeit einher, die diese Jugendlichen zuvor nicht hatten und deren Fehlen sie erst zu Problemkindern und dann zu Outlaws hat werden lassen. An dieser zugeneigten Aufmerksamkeit hat es in der Haasenburg offenbar gefehlt, wie es daran in der „Bude ohne Betreuung“ gefehlt hatte. Darin liegt der eigentliche Skandal der Unterbringungspolitik: Für sehr, sehr viel Geld, für Tagessätze von einigen hundert Euro, erfahren problematische Jugendliche die Konfrontation mit bestimmten therapeutischen Konzepten. Deren Wirksamkeit, auch das geht aus dem Haasenburg-Bericht hervor, beweist sich nicht auf dem Papier oder im Diskurs der Fachleute, sondern an der neu zu lernenden Fähigkeit junger Menschen, mit dem eigenen Leben zurechtzukommen.

Vielleicht sollte die erste Konsequenz aus der Haasenburg-Affäre darin bestehen, dass die zuständigen Ministerien so etwas wie verdachtsunabhängige Kontrollen in den geschlossenen Heimen praktizieren. Das ist offenbar nicht die Regel. Dabei wären sie dem Geld durchaus angemessen, das sich der Staat die Unterbringung Jugendlicher kosten lässt. Vor allem wären solche Kontrollen Ausdruck wirklicher Fürsorge.

Zur Startseite