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Meinung: Handeln sollen sie

Tony Blair hat Recht: Afrika braucht nicht Geld, sondern Gleichberechtigung auf dem Weltmarkt

Wenn es nur darum ginge, das Offensichtliche zu sagen, dann könnte die Ausrottung der Armut bereits jetzt als voller Erfolg gelten. Ein Beispiel dafür bietet der gegenwärtige Afrikagipfel des Weltwirtschaftsforums in Kapstadt, auf dem sich die Debatten zwischen Konzernchefs, Geschäftsleuten und politischen Führern fast nur darum drehen, wie der Kontinent seiner tiefen Armut entrinnen kann. Nach der großen internationalen Solidarität für die Opfer der Flutkatastrophe in Asien wird die Aufmerksamkeit nun wieder auf die Ärmsten der Armen in Schwarzafrika gelenkt.

Ausgelöst hat das neue Interesse eine von Tony Blair ersonnene Afrika-Initiative, die der britische Premier seinen Kollegen auf dem G-8-Gipfel Anfang Juli im schottischen Gleneagle präsentieren will. Der Plan beinhaltet einen beträchtlichen Schuldenerlass für die ärmsten Länder in Schwarzafrika sowie eine Verdoppelung der Entwicklungshilfe bis zum Jahr 2010 – und zwar um zusätzliche 25 Milliarden Dollar pro Jahr. Sollte das Geld vernünftig verwendet werden, verspricht der Plan bis 2015 jährlich weitere 25 Milliarden Dollar.

Darüberhinaus sollen die reichen Länder Handelsverzerrungen wie etwa die Subventionen für ihre Baumwoll- und Zuckerproduzenten beseitigen. Bis 2010 sollen sie auch alle weiteren Ausgleichszahlungen für landwirtschaftliche Güter stoppen. Von Afrika wird dafür keine wirtschaftliche Gegenleistung verlangt.

Das klingt fast revolutionär. Doch was wirklich zählt, sind nicht Worte, sondern Taten. Und genau daran hapert es. So hat zum Beispiel der Afrikagipfel in Kapstadt, der als eine Art Seismograph für den G-8-Gipfel gilt, deutlich gezeigt, dass es hinter den Kulissen vor allem in zwei wichtigen Fragen Streit gibt: Wo kommt das Geld her? Und: Wie wird es eingesetzt?

Ein Grund dafür, dass sich der G-8-Gipfel womöglich in Absichtserklärungen erschöpft, liegt in den wirtschaftlichen und politischen Problemen seiner Mitglieder. Entsprechend ungünstig ist der Zeitpunkt, einen massiven Anstieg der Afrikahilfe zu diskutieren. Mögen Handelserleichterungen dem Kontinent auch helfen, so ist schon deshalb nur mit vagen Versprechungen zu rechnen, weil die G-8-Führer die Hände ihrer Unterhändler bei den nun anstehenden Welthandelsgesprächen nicht von vornherein binden wollen.

Dennoch erstaunt es, in welchen Maße die von der Blair-Kommission unterbreiteten Patentrezepte das Bewusstsein für Afrikas Niedergang geschärft haben. Unzweifelhaft ist nämlich, dass die Krise in Afrika sich in den vergangenen Jahren verschärft hat: Geplagt von immer neuen Konflikten und ausgezehrt von der Aids-Epidemie entgleitet Afrika zusehends der Kontrolle seiner zumeist korrupten Eliten und internationaler Organisationen, die seit Jahren für ein Mindestmaß an Stabilität sorgen. Afrikas Rettung wird einen sehr langen Atem erfordern und gewiss nicht im Schnellverfahren gelingen, wie es der Blair-Report suggeriert. Am schwierigsten bleibt der richtige Einsatz der Gelder. Unter vielen wohlmeinenden Menschen im Westen gilt Afrika als Opfer der Globalisierung, obwohl gerade die fehlende Teilhabe des Kontinents an der Weltwirtschaft seinen Rückfall erklärt. Andere Gründe sind der fehlende Schutz von Eigentumsrechten, die fortgesetzte Plünderung potenziell reicher Länder durch korrupte Eliten sowie die vielen Bürgerkriege, die wie zuletzt in Elfenbeinküste oder Simbabwe das mühsam Erreichte gleich wieder zerstören. Mehr Geld wird Afrikas Problem schon deshalb nicht lösen, weil der Kontinent bereits mit Geldern überhäuft wird: Einige Länder finanzieren mittlerweile über die Hälfte ihres Staatshaushalts mit Entwicklungshilfe. Vielen Lippenbekenntnissen afrikanischer Führer, ihre Regierungsarbeit zu verbessern, sind keine Taten gefolgt.

Sind die Probleme des Kontinents inzwischen in hohem Maße selbst verschuldet, so hat der Westen schon aus Eigeninteresse Grund, zu helfen. Ignoriert man Afrika, exportiert der Kontinent seine Probleme. Ein Wendepunkt könnte ausgerechnet die Ernennung von Paul Wolfowitz zum neuen Weltbankchef sein. Der Amerikaner tut derzeit alles, um nicht als verlängerter Arm der US-Außenpolitik zu erscheinen. Bereits nächste Woche wird er zu seiner ersten Auslandsreise nach Afrika starten, das er zum Schwerpunkt seiner Amtszeit erklärt hat. Das Misstrauen gegen Wolfowitz sitzt vielerorts tief. Doch bei allen Vorbehalten hat er gezeigt, dass er bereit ist, korrupten Machthabern Wahrheiten ins Gesicht zu sagen.

Afrikas Staatschefs sind ihrerseits gut beraten, die Skepsis der G-8-Länder gegenüber ihrem Kontinent zu akzeptieren und die wohl nur geringen Konzessionen mit Voraussicht zu nutzen: zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, zur Schaffung von mehr Stabilität und zu besserer Regierungsführung. Dies würde wiederum die Industrieländer zu mehr Hilfe veranlassen und damit womöglich einen Prozess in Gang setzen, der dem langen Niedergang Afrikas endlich Einhalt bietet.

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