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Harald Martenstein: Bauherren auf Koks

Auf der Tauentzienstraße ist die hässlichste Flaniermeile der Welt entstanden, findet Harald Martenstein. Es gibt nur einen Weg, den Umbau-Wahn in Berlin zu stoppen.

Heute ist Totensonntag, lassen Sie uns über den Tod reden. In dieser Woche gab es drei Meldungen zur BVG. Erstens, die BVG macht Millionenverluste. Zweitens, sie erhöht die Preise. Drittens, ein Busfahrer wurde mit Koks am Steuer erwischt.

Auf der Tauentzienstraße war jahrelang Stau. Nun sind sie endlich fertig. Als ich, von Neugier getrieben, die Tauentzienstraße aufsuchte, dachte ich, dass sie da eine Filiale des Holocaustmahnmals eröffnet haben. Diesmal aber in klein und hässlich. Schauen Sie sich das nur an, wenn Sie Mut haben! Ich dachte, die Opfergruppe, der dieses extrem grottige Mahnmal gewidmet ist, wird ja wohl schwer beleidigt sein. Oder ist es gar kein Mahnmal, sondern eine Anklage? Gewidmet den Berliner Architekturverbrechen des 20. Jahrhunderts, mit einer Tafel, die an den Sozialpalast, das Kottbusser Tor und die Gropiusstadt erinnert? Es soll aber eine „Flaniermeile“ sein. Berlin besitzt jetzt die hässlichste Flaniermeile der Welt. Sie hat 1,8 Millionen Euro gekostet. Und wer hat es bezahlt? Zum Teil die BVG! Kokain ist wirklich ein Teufelszeug.

Vorher waren da Sitzbänke und Blumen. Ein bisschen langweilig, aber ganz nett. Jetzt haben sie die Bänke weggerissen und schiefe Granitblöcke hingesetzt, auf die man sich niederlassen kann, falls man noch nie Blasenentzündung hatte und neugierig ist, wie sich das anfühlt. Statt Blumen haben sie in Reih und Glied Eiben gepflanzt, eine Friedhofspflanze. Eiben sind extrem giftig, tödlich für Hunde, tödlich für Katzen, tödlich für Vögel, leider auch für Kinder. Erwachsene, dies die gute Nachricht, überleben es meistens. Und so verrückt, dass er die hässlichste Flaniermeile der Welt mit Kindern besucht, wird schon keiner sein.

Zuerst hieß es, da kommen immerhin Kioske zum Kaffeetrinken hin. Die Kioske wurden gestrichen, weil sie den Blick auf die umliegenden hässlichen Häuser versperren. Es hieß auch, die Flaniermeile wird nachts beleuchtet. Die LED-Leuchten wurden gestrichen, sie würden den Kokainhandel behindern.

Übrigens werden sie garantiert statt der alten Gaslaternen, die sie gerade abreißen, keine LED-Leuchten hinstellen. Viele Berliner Straßen werden in Zukunft einfach dunkel bleiben: Hebt diesen Artikel auf, schaut in 20 Jahren nach, ich werde recht behalten.

Die Berliner Verwaltung ist seit 1960 in West und Ost ununterbrochen damit beschäftigt, schöne, funktionierende Sachen wegzureißen und dafür hässliche, nicht funktionierende Sachen hinzustellen, jüngstes Beispiel: Tauentzien. Ich bitte die anderen Bundesländer, Berlin keinerlei Mittel mehr zu überweisen. Je weniger Geld Berlin für Baumaßnahmen zur Verfügung hat, desto besser ist es für die Berliner. Es gibt dann auch weniger Staus.

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