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Harald Martenstein: So schreiben Sie einen Bestseller

Frauen schreiben über Sex und Sadomaso - und das mit großem Erfolg. Wie aber schaffen es männliche Autoren in die Bestsellerliste? Mit Chefabrechnungen unter Pseudonym, rät Harald Martenstein. Zeit für einen Krimi über eine ostdeutsche Pastorentochter.

Ein Patentrezept zur Verfassung eines Bestsellers gibt es leider nicht. Aber wenn es sich bei der Autorin um eine junge Frau handelt, die autobiografisch und detailverliebt über Sex schreibt, stehen die Chancen erfahrungsgemäß relativ gut. Ersatzweise geht auch eine ältere Frau. Der Sex sollte aber möglichst ein bisschen jenseits des Üblichen sein, Sadomaso, Gruppentreffen im Techno-Keller oder ein großer Altersunterschied, old girl meets young boy. Anal geht künstlerisch immer was. Das Buch kann im Einzelfall durchaus gut geschrieben sein und darf literarische Qualitäten besitzen, das stört nicht. Es nützt aber auch nicht viel. Wenn die Autorin gut aussieht, umso besser, wenn sie vor der Veröffentlichung schon ein bisschen bekannt ist, dann: Bingo.

Sexbücher, die von Männern verfasst werden, lehnt der Markt eher ab. Das Verfassen von Sexbüchern ist zur weiblichen Domäne geworden, wie früher das Häkeln. Das heißt, wenn ich unter Pseudonym einen Bestseller schreiben will, sollte ich mich vielleicht Veronica Ferrara nennen. Mein Verlag sollte durchblicken lassen, dass es sich dabei um das Pseudonym einer bekannten Fernsehschauspielerin handelt, was natürlich besonders geschickt ist, weil es die Meute auf eine falsche Spur lenkt. Dann schreibe ich über Sex mit einem italienischen Ministerpräsidenten, dem ich vor Liebestollheit mit den Zähnen das Toupet vom Kopf reiße, mit einem russischen Präsidenten, den ich in der Sauna zu Hardrockmusik auspeitsche, und natürlich mit Gerhard Schröder, der bei mir „Reinhard Röder“ heißt und dem ich es vor der Verkündung der Hartz-IV-Gesetze mit einer Currywurst besorge. Es macht bestimmt Spaß, sich diese Sachen mit dem weiblichen Blick auszudenken, und wenn ich verklagt werde, sage ich einfach, es ist Literatur.

Jetzt hat ein bekannter Feuilletonist einen Schwedenkrimi verfasst, unter Pseudonym, in dem eine Person zu Köttbullar verarbeitet wird, die, angeblich nur zufällig, zahlreiche Gemeinsamkeiten mit dem FAZ-Herausgeber aufweist. Der Ermordete ist, wie erste Leser des noch unveröffentlichten Textes berichten, in dem Buch recht unsympathisch und besitzt unter der Gürtellinie eine Fixierung am Rande der Legalität. Zufällig ist der Ermordete der ehemalige Chef des Romanciers.

In den deutschen Feuilletons wird darüber spekuliert, ob dieses Buch ein Bestseller wird. Die Chefabrechnung unter Pseudonym wäre ein Bestseller-Genre, in dem auch wir Männer endlich wieder eine Chance haben. Den Roman, in dem eine ostdeutsche Pastorentochter in der Politik auf eiskalte Weise Karriere macht, dann aber zur Strafe als Wanderhure an karibische Voodoo-Sexvampire verkauft wird, schreibt ein gewisser Friedbert Lüttgen.

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