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Hartz IV: Mindestlöhne gegen die Faulheit

Es wird zurzeit viel über Hartz-IV-Missbrauch und Faulheit geredet. Nun ist es in Deutschland so, dass man seit vielen Jahren fürs Arbeiten immer weniger Geld bekommt. Ein Kommentar von Harald Martenstein

Es gibt einen neuen Medienstar, er heißt Arno Dübel, ist 53 und seit dreißig Jahren arbeitslos. Er möchte nicht arbeiten, bekennt sich dazu und kommt gut klar, sowohl psychisch als auch finanziell. Begonnen hat Dübels Karriere wohl mit dem ihm gewidmeten RTL-Film „Deutschlands glücklichster Arbeitsloser“, seitdem wird er ständig in Talkshows eingeladen, was er sichtlich genießt. Er sitzt dann zum Beispiel der Gewerkschafterin Ursula Engelen-Kefer gegenüber, die er mit „gute Frau“ anredet und deren Hilfsangebote er lässig an sich abperlen lässt. Über den faulen Arno kann man sich wunderbar empören. Man kann aber auch wunderbar die anderen, die ehrlichen, die nicht faulen Arbeitslosen vor ihm in Schutz nehmen, nein, er ist nicht repräsentativ, er ist einfach nur eine Type.

Man kann den Leuten normalerweise nicht in die Seelen schauen, so, wie Arno es zulässt. Ob eine Person faul ist oder nicht, bleibt deshalb in den meisten Fällen ihr Geheimnis. Unser Sozialstaat beruht auf der Idee, dass wir niemanden verhungern lassen, mehr noch, jeder sollte eine Wohnung haben und die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein, und bei diesem Grundrecht kommt es, zumindest in der Theorie, nicht auf den Charakter oder das Verhalten an, es reicht, ein Mensch zu sein. Soll man Arno meinetwegen die Unterstützung noch einmal kürzen. Aber sie sollen ihn weder sterben noch hungern lassen noch ins Arbeitslager für Asoziale sperren, zum Glück leben wir nicht in einem solchen Land.

Es wird zurzeit viel über Hartz-IV-Missbrauch und Faulheit geredet. Nun ist es in Deutschland so, dass man seit vielen Jahren fürs Arbeiten immer weniger Geld bekommt. Laut Statistischem Bundesamt betrug der durchschnittliche monatliche Nettolohn im Jahre 1991, dem ersten Jahr mit gesamtdeutscher Statistik, 1411 Euro (damals waren es natürlich noch D-Mark). 2001 wurden dem Durchschnittsverdiener im Monat nur noch 1368 Euro ausgezahlt. 2006 waren es noch 1320.

Wenn es so weitergeht, dann nähert sich in nicht allzu ferner Zukunft der Durchschnittsverdienst eines berufstätigen Menschen dem Hartz-IV-Satz. Es hat dann objektiv wirklich keinen Sinn mehr, arbeiten zu gehen. Und daraus darf man dann auch, bitte sehr, keinem Menschen einen moralischen Vorwurf machen. Das hat nichts mit Faulheit zu tun, es ist einfach nur vernünftig. Arbeit ist anstrengend, und wenn dabei am Ende lediglich das Existenzminimum herauskommt, dann lässt man es wohl besser. Mit anderen Worten: Das beste Mittel gegen die Faulheit sind nicht moralische Appelle oder strenge Kontrollen, sondern Gehälter, von denen man gut leben kann, und Mindestlöhne.

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