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Meinung: Hegemon sucht Helfer

Der Irak muss ein Erfolg werden – das liegt im westlichen Interesse

Man soll Pferde ja nicht von hinten aufzäumen. Aber Politik von ihrem Ergebnis her denken, das darf man. Was also wird das Resultat der deutschen Irakpolitik sein? Werden im Herbst 2004 deutsche Soldaten in Bagdad für Ordnung sorgen? Gut möglich. Auch wenn es gegenwärtig noch nicht danach aussieht.

Fangen wir von vorn an. Täglich sterben US-Soldaten im Irak. In den USA gibt es für ein solches Szenario das Schreckenswort „quagmire“: Sumpf, Schlamassel, Vietnam. So weit sind wir noch nicht. Aber die Richtung beunruhigt. Dass es so gekommen ist, liegt nicht an der Naivität der amerikanischen Kriegsplaner. Es liegt an der Ohnmacht des US-Außenministeriums gegenüber dem Pentagon. Dort, im Verteidigungsministerium, hat man eben getan, was man gut kann – Krieg führen. Jetzt, beim Wiederaufbau, muss das Pentagon in den Hintergrund treten. Sein Chef Donald Rumsfeld hat etwas zögerlich gesagt, dass er sich durchaus auch deutsche und französische Soldaten im Irak vorstellen kann. Der US-Senat hat einstimmig die Internationalisierung des Einsatzes gefordert. Das bindet niemanden, ist aber ein Signal: Amerika braucht Hilfe.

Und was will Deutschland? Berlin muss wollen, dass der Irak ein Erfolg wird – unabhängig vom Streit über die Richtigkeit des Krieges. Deutschland muss wollen, dass das Morden endet, dass ein Staat entsteht, der beileibe keine Musterdemokratie zu sein hat, aber eine Ordnung mit Verantwortlichkeiten, Rechten und Freiheiten. Amerikas Erfolg im Irak liegt im deutschen Interesse.

Den Wünschen stehen die Fähigkeiten gegenüber. Die Bundeswehr kann schwerlich mehr leisten, als sie bereits leistet. Die immer unwahrscheinlichere Ausweitung des Einsatzes in Afghanistan könnte zwar Kapazitäten bringen, doch kaum in nennenswertem Umfang. Und auf dem Balkan, wo tausende deutsche Soldaten zur Stabilität beitragen, bräche ohne diese Schutztruppen das wenige, das gewonnen ist, sofort zusammen. Manövriermasse gibt es also kaum.

Bleiben die Zwänge. Gäbe es in Bagdad bereits eine Übergangsregierung, bäte diese um Hilfe, wäre ein solcher Einsatz von den UN mandatiert – Deutschland könnte sich kaum entziehen. Finanzielle und personelle Engpässe wären damit nicht beseitigt. Doch sie wären aufzuwiegen gegen die Interessen der Bundesrepublik. Nicht um einen Kniefall vor Washington geht es, auch wenn bessere transatlantische Beziehungen fraglos im Berliner Interesse wären. Es ginge darum, im Irak Verantwortung zu tragen und damit ein Akteur zu sein, wenn in einer Region von zentraler strategischer und ökonomischer Bedeutung für Europa die Karten neu gemischt werden. Und es ginge darum, Erfahrung im „nation building“ und Deutschlands guten Ruf in der arabischen Welt zu nutzen.

Was eine legitime Interimsverwaltung ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Unstrittig ist der Rahmen für alle nun anstehenden Debatten. Vier Milliarden Dollar pro Monat kostet die USA der Einsatz in Irak – Berlin hat bilateral bislang vier Millionen Euro für humanitäre Hilfe bereitgestellt. Die beiden Ziffern zeigen die Dimensionen, um die es geht. Ob der Irak-Frieden gelingt oder scheitert, wird ein zentraler Prüfstein für die Glaubwürdigkeit westlicher Politik. Westlicher – nicht nur amerikanischer.

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