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Meinung: Heiße Zeiten

Wie sich jeder von uns auf den Klimawandel einstellen kann Von Andreas Troge

Lange Zeit galt der Klimawandel vielen von uns als eine düstere Zukunftsvision. Heute wissen wir: Der Klimawandel ist kein Phantom, sondern real. Seine Folgen sind deutlich spürbar – auch in Deutschland. Fast täglich tauchen neue Befunde darüber auf, dass der Klimawandel viel schneller abläuft als gedacht. Nach und nach schärfen immer genauere Studien das Mosaikbild des Klimas von übermorgen.

Die Menschen in Deutschland diskutieren intensiv darüber, was zu tun ist, um dem Klimawandel zu begegnen: Immer mehr sind bereit, für den Klimaschutz den Fuß vom Gas zu nehmen, ihre alte Glühbirne gegen ein energiesparendes Exemplar auszutauschen oder auf Ökostrom umzusteigen. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht heftig über die richtigen Lösungen zum Klimaschutz diskutiert wird. Diese oder jener ist solcher Debatten vielleicht schon überdrüssig. Vereinzelt ist gar die Rede von Hysterie und Panikmache. Es ist jedoch nur allzu vernünftig, sich mit der wahrscheinlichen Zukunft zu befassen, und deshalb ist es gut, dass das Thema „Klimawandel“ bei den Menschen angekommen ist.

Klimaschutz lebt – wie Umweltschutz generell – vom Mitmachen bei uns, in Europa und weltweit. Die Schlüssel für anspruchsvollen Klimaschutz lauten: Erstens runter mit dem Energiebedarf – in den eigenen vier Wänden, bei der Mobilität oder beim Konsum. Und zweitens den Rest des Energiebedarfs möglichst mit klimafreundlichen, erneuerbaren Energien – etwa aus Wind, Wasser oder Biomasse – decken.

Leider ist das nur die halbe Wahrheit. Wir müssen nicht nur runter mit den Treibhausgasen – wir müssen uns auch solchen Folgen des Klimawandels stellen, die wir heute nicht mehr aufhalten können. Anpassung lautet das Stichwort – Anpassung an veränderte Temperaturen und Niederschläge, neue Krankheitserreger oder häufiger stattfindende extreme Wetterereignisse. Landwirte suchen bereits nach neuen Nutzpflanzen, die mit weniger Wasser auskommen. Förster prüfen, welcher Baumbestand widerstandsfähiger gegen Hitze, Stürme und Schädlinge ist.

Einzelne Bundesländer schlagen beim Hochwasserschutz schon einen Sicherheitsfaktor auf ihre Deiche, um häufigeren und höheren Hochwassern zu begegnen. Seit einiger Zeit gibt es in Deutschland ein Hitzewarnsystem für Krankenhäuser und Pflegeheime. Alte und kranke Menschen sind so bei länger anhaltenden Hitzeperioden besser geschützt.

Deiche, Felder, Forste – Klimaanpassung beginnt jedoch nicht nur fern von der eigenen Haustür, wir müssen uns auch zu Hause auf das geänderte Klima von morgen einrichten: Wer sich mit dem Gedanken trägt, ein neues Haus mit Wasserblick zu bauen, sollte prüfen, ob der Fluss in der Vergangenheit durch Hochwasser auffiel. Wer am Wasser siedelt, muss sich auch über das Risiko künftig stärkerer Mückenplagen im Klaren sein. Wer den Traumstandort schließlich gefunden hat, sei nicht nur eine gute Wärmeisolierung empfohlen; mindestens ebenso wichtig ist, für eine gute, natürliche Frischluftzufuhr zu sorgen. Gerade für eine alternde, und damit weniger kreislaufstabile Bevölkerung werden Tage mit großer Hitze in wärmeisolierten und deshalb kühleren Gebäuden so besser erträglich. Und dass ohne eine energieaufwändige Kühlung.

Auch unsere Reisegewohnheiten werden wir ändern müssen. Wer künftig Skifahren will, sollte in hoch gelegenen Orten buchen. Geht die Reise Richtung Südeuropa, ist schon heute die Frage berechtigt, ob eine dritte Dusche am Tag noch zeitgemäß ist. Zukünftig wird gerade die Trinkwasserversorgung in touristischen Regionen um ein Vielfaches schwieriger – auch hier gilt: sparen.

Badefreunden sei diesen Sommer wieder empfohlen, sich über die Qualität der Seen zu informieren – und sich so nicht Magen und Darm zu verderben – etwa mit den Giften der neuerdings in Deutschland auftauchenden Blaualgen tropischen Ursprungs und anderer Krankheitserreger. Die Blaualgen sorgten im vergangenen Jahr vereinzelt schon für Übelkeit und Erbrechen.

Für manch eine oder einen mag all dies dramatisch klingen – und doch muss niemand Angst haben. Deutschland hat schon jetzt das nötige Wissen und Können, um sich auf dem Klimawandel einzustellen. Wir müssen allerdings wissen, was auf uns zukommt.

Der Autor ist Präsident des Bundesumweltamtes.

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