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Meinung: Helfer in Not

Ohne Bilder von Flüchtlingen bleiben auch die Spenden aus

Diese Kriegswoche sollte die Woche der Helfer werden. In Genf berieten am Mittwoch Vertreter von 30 Staaten und 21 Organisationen über humanitäre Hilfe für den Irak. In Deutschland gibt es jeden Tag neue Appelle an die Bevölkerung, für die Menschen im Kriegsgebiet zu spenden. Mit geringer Resonanz. Ein Grund dafür ist die weit verbreitete Auffassung, die Krieg führenden Parteien, USA und Großbritannien, seien für die Versorgung der Iraker verantwortlich. So sieht es auch die Genfer Konvention vor. Es gibt aber noch einen weiteren Grund für die Zurückhaltung. Und der ist vielleicht der entscheidende: Der erwartete Flüchtlingsstrom aus dem Irak blieb bisher aus und damit die Bilder unmittelbarer menschlicher Not.

Gespendet wird erst, wenn Trecks mit Frauen, Kindern und Alten auf dem Weg sind, wenn Hungernde in Flüchtlingslagern auf ihre Essensration warten. Doch die von den UN und privaten Organisationen aufgebauten Camps in Jordanien und anderen Nachbarstaaten des Irak sind noch immer leer.

Wenn es die angekündigte humanitäre Katastrophe aber gar nicht gibt, warum sollte man dann spenden? Und warum wurde dann in Genf beraten? Weil sich die wahre Katastrophe hinter den Fernsehkulissen abspielt, in den umkämpften Städten Bagdad und Basra etwa, sagen einige Helfer. Weil die Katastrophe noch kommen wird, und die Organisationen sich darauf vorbereiten müssen, sagen andere. Tatsächlich können nicht einmal jene Hilfswerke, die noch einheimische Mitarbeiter im Irak haben, ein klares Bild zeichnen. Es gibt keine verlässlichen Zahlen über Opfer oder auch die Wasser- und Lebensmittelvorräte in den Städten.

Weniger dramatisch als befürchtet

Nach irakischen Angaben sind bisher 600 Zivilisten umgekommen. Diese Zahl, sofern sie zutrifft, macht die Brutalität des Krieges deutlich. Und dennoch: Wenn Helfer jetzt eine der größten humanitären Katastrophen seit Menschengedenken heraufbeschwören – wie in diesen Tagen geschehen – dann ist das schlicht unseriös. Die Informationssplitter, die nach außen dringen, lassen den Schluss zu, dass sich die Lage bei aller Not derzeit weniger dramatisch darstellt als befürchtet – und einige Hilfsorganisationen uns glauben machen wollen.

Rotkreuzmitarbeiter berichten, in den Krankenhäusern Bagdads seien nur wenige Schwerverletzte eingeliefert worden; in den sechs Kliniken, die sie betreuen, wurden etwa 200 Menschen behandelt. Die meisten wurden durch Druckwellen verletzt. Stark unterernährte Kinder haben sie nicht gesehen. In Basra, dessen Bevölkerung von der Wasserversorgung abgeschnitten war, konnte inzwischen ein Wasserwerk repariert werden. Hier wie auch in Bagdad sind Tankwagen mit Wasser unterwegs. Trotz der Angriffe haben zudem viele Läden und Märkte wieder geöffnet. Noch also scheint das Überleben im Irak möglich zu sein.

Doch das muss nicht so bleiben. Die humanitären Organisationen werben daher zu Recht um Spenden. Nach dem Krieg wird ihre Hilfe in jedem Fall gebraucht. Und auch das Treffen in der Schweiz macht Sinn, nicht nur, weil die USA mit am Tisch saßen. Je früher Hilfswerke und Geberländer ihre Aktivitäten koordinieren, desto besser kann später aufgebaut werden. Apokalyptische Prognosen sind angesichts der unsicheren Informationslage im Moment aber unangebracht. Sie sind wohl dem Konkurrenzkampf um das Mitleid geschuldet, denn Hilfe ist letztlich auch ein Wirtschaftszweig – an dem tausende Arbeitsplätze hängen. Viele kleine Organisationen kämpfen ums Überleben: Das Geld für den Irak bleibt aus, gleichzeitig verdrängt der Krieg andere Krisenherde aus den Medien. Auch dafür wird nun nicht gespendet.

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