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Helmut Schümann: Kopftuchstreit

Der freie Sturkopf der Kanzlerin.

Steht auf einer Einladung hinter dem Stichwort Kleidung „Black Tie“, weiß der gepflegte Herr, was zu tun ist. Er greift zu Smoking, Fliege, Kummerbund und ist fein raus. Die gepflegte Dame hingegen wählt in der Kategorie „Business Wear“ das Kostüm oder den Hosenanzug. Gewiss, das sind Konventionen, aber wer sie durchbricht, zieht mindestens Aufmerksamkeit auf sich, häufiger indes Zorn. Es gab mal eine Zeit, in der es besonders im Westen très chic war und unkonventionelle Uniform, in Jeans und Parka rumzulaufen. Besonders, wenn es gegen die bürgerliche Moral und die herrschenden Mächte auf die Straße ging. Zwar entstammte der (oder auch die) Parka aus den Beständen der besonders herrschenden Mächte, der Armee, aber er (oder auch sie) schützte mit seinem abweisenden Stoff und der Kapuze sehr schön und dicht vor den gegnerischen Wasserwerfern. Damit war er/sie nicht nur ein ungemein praktisches Kleidungsstück, sondern auch ein politisches Statement. Zeig mir, was du trägst, und ich sage dir, wo du stehst. Um es literarisch auszudrücken: Kleider machen Leute.

Mitunter machen auch keine Kleider Leute. An bestimmten Orten auf bestimmte konventionelle Kleidungs-Accessoires zu verzichten, kommt sogar einem politischem Statement gleich. Der Verzicht auf ein Kopftuch zum Beispiel.

Kanzlerin Angela Merkel reiste gerade durch die muslimischen Länder Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien und Bahrain. Dem Vernehmen nach hatte sie kein Kopftuch dabei, obwohl das dort für Frauen nicht nur konventionell, sondern gesetzlich vorgeschrieben ist. Zumindest wurde sie bei ihren Gesprächen nie nicht mit einem gesehen. Möglicherweise fasst die islamische Welt den unbedeckten Kopf der Kanzlerin als Affront auf. Man kann ihn aber auch als Demonstration gegen ein Symbol der weiblichen Unterdrückung sehen. Eine solche hatte öffentlich zuvor im Jahr 2007 nur die ehemalige US-Außenministerin Condoleeza Rice gewagt, obwohl deren Betonfrisur ein Tuch sicher gut getan hätte. Antje Vollmer von den Grünen war zwei Jahre zuvor weniger selbst- und modebewusst und verhüllte sich freiwillig mit einem langen schwarzen Mantel und der Abaya, dem schwarzen Kopftuch. Wie auch schon seinerzeit die britische Premierministerin Margaret Thatcher. Die wurde die eiserne Lady genannt. Aber eisern war an der allenfalls das Handtäschlein. Da ist der freie Sturkopf der Kanzlerin doch sympathischer.

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