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Ist es ein Tabubruch, wenn die Polizei die Nationalitäten von Verdächtigen in ihrer Statistik erfasst?

© dpa

Herkunft von Verdächtigen: Die Nationalität gehört in die Kriminalstatistik

Es ist nicht diskriminierend, sondern sinnvoll, wenn in der Polizeistatistik die Nationalität der Tatverdächtigen erfasst wird. So kann die Politik problematische Gruppen identifizieren - und ihren Angehörigen frühzeitig Hilfe zukommen lassen.

Angenommen, alle mutmaßlichen Mörder hätten als Kinder öfter mal die Schule geschwänzt: Sollten Schulen dann Schwänzer-Statistiken führen? Sollten Polizeistatistiker auf die Beziehung Schulschwänzer – Mordverdächtiger hinweisen? Sollten Politiker Schlüsse daraus ziehen, etwa im Hinblick auf Hilfen zur Erziehung? Na klar.

Leider sind die wenigsten statistischen Zusammenhänge so übersichtlich. Auf manche muss man erst mal kommen. So hat der Kriminalitätsforscher Claudius Ohder vor Jahren die Lebensläufe von Intensivtätern untersucht. Seine Erkenntnis damals: Junge Gewalttäter kommen aus schwierigen familiären Verhältnissen, ihre Eltern haben traumatische Erfahrungen gemacht, etwa in den Bürgerkriegen des Balkans. Ist es also sinnvoll, wenn Polizisten vermerken, dass ein jugendlicher Schläger serbischer Staatsangehörigkeit ist? Klar, denn man kann das als Hinweis darauf lesen, dass Angehörige bestimmter Bevölkerungsgruppen womöglich mehr Hilfe brauchen, als sie bekommen.

Kurzum: Es ist sinnvoll, wenn in der Polizeistatistik die Nationalität der Tatverdächtigen erfasst wird. So kann die Politik problematische Gruppen identifizieren. Man kann als Politiker aber auch immer wieder neu darüber klagen, dass die Erfassung der Nationalität eines Tatverdächtigen „ethnische Diskriminierung“ darstelle. So hat es die Berliner Linksfraktion getan, als die Berliner Kriminalitätsstatistik vorgelegt wurde, so werden es Organisationen wie der Migrationsrat anlässlich der nun vorgelegten bundesweiten Kriminalitätsstatistik gewiss bald tun. Denn die Statistik enthält eine Tabelle, in der „nichtdeutsche Tatverdächtige nach Staatsangehörigkeit“ aufgeführt sind, von „Türkei“ bis „Pakistan“.

Kein Polizeistatistiker, kein Politiker behauptet da kausale Beziehungen. So liest man in der Berliner Statistik, „dass weder Staatsangehörigkeit noch Herkunft für sich alleine betrachtet kriminogene Faktoren sind“. Doch liegt es nahe, dass es manche kriminelle Laufbahn glättet und beschleunigt, wenn der Papa, fünf Onkel und acht Brüder an einem Jüngling zunächst die Prügelstrafe exekutiert haben und ihn später als Hilfskraft im familienbetriebenen Rauschgifthandel beschäftigen, Dienstwagen mit vier Auspuffrohren inklusive. Manchmal ergeben Ermittlungen, dass gewisse Großfamilien aus dem arabischen Raum in dem Gewerbe besonders erfolgreich sind.

Das Verbinden verschiedener Fakten und Erkenntnisse von der familiären Herkunft bis zur Staatsangehörigkeit hat vor Jahren Polizei und Justiz in Berlin auf eine gute Idee gebracht: Die Ermittler dachten sich für gefährliche junge Männer das „Intensivtäter“-Konzept aus – eine innovative und erfolgreiche Art der Kriminalitätsbekämpfung, die eine üble Entwicklung nicht beendet, aber begrenzt hat. Einer der Ausgangspunkte des Konzepts war ein Tabubruch: Die Ermittler des Landeskriminalamtes glaubten gewissen Mehrfachtätern nicht mehr, dass sie staatenlose Bürgerkriegsflüchtlinge seien. Sie ermittelten deren Staatsangehörigkeit, um sie abschieben zu können.

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