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Nur 19 Prozent aller Professoren an deutschen Universitäten sind Frauen. Die Universität Leipzig führt dennoch oder gerade deswegen nun das generische Femininum ein.

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"Herr Professorin": Die Universität Leipzig kann die Sprache ändern - die Statistik nicht

Die Universität Leipzig will in ihrer Verfassung zukünftig nur noch von "Professorinnen" sprechen - um umständliche Formulierungen zu vermeiden. Männer sollen da mitgedacht werden. Feministinnen sind begeistert, doch die Realität wird das allein nicht ändern.

Von Caroline Fetscher

Ach, was? Was wird gewonnen, was verloren, sollten an der Universität Leipzig Lehrende beider Geschlechter nun kollektiv als „Professorinnen“ bezeichnet werden? Mit dieser sprachlichen Innovation, die in die Hochschulverfassung Eingang finden soll, werde sie, erklärt die Universität, der Tatsache gerecht, dass an den Universitäten Frauen heute in der Mehrheit seien (hier geht es zu einer Klarstellung der Universität, die einigen Medienberichten widerspricht, was die Reichweite der Änderung angeht). Ein Riesenschritt in Richtung Gleichberechtigung sei damit getan.

Frauen bekleiden derzeit 19 Prozent der Professuren an deutschen Universitäten. Wie viele zusätzliche, hohe akademische Ämter erhalten Frauen von dem Moment an, wo auch die 81 Prozent der männlichen Lehrstuhlinhaber „Professorin“ genannt werden? Mit der forcierten Umbenennung ändert sich strukturell und statistisch erst einmal gar nichts. Vielmehr beleuchtet das lustige Vorhaben eine performative Hilflosigkeit, wie sie für Übergangsphasen typisch scheint. 1995 betrug die Frauenquote bei Professuren acht Prozent. Mehr als verdoppelt hat sie sich seither weniger durch Bezeichnungs-Erlasse, als durch das bewusste Fördern von Mädchen und Frauen im Bildungssystem. Da hat sich einiges verändert, seit Julius Möbius 1901 den Aufsatz „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes“ veröffentlichte, eine Streitschrift wider das Weib im Bildungsbetrieb.

Die "Professorin" für alle wird die Professorinnenquote nicht ändern

Geschlechtersensitive Sprache soll mit dazu beitragen, dass die Frau nicht länger als „mitgemeinte Männin“ rangiert, wie eine feministische Linguistin es in den 70er Jahren formulierte, sondern sprachlich sichtbar wird. Im Sozialismus, wo „Frau Ingenieur“ oder „Frau Traktorist“ übliche Phänomene waren, traten Theoreme zur Geschlechtlichkeit hinter Fragen der Gerechtigkeit und Produktivität zurück. Allerdings zierten bei Paraden geschlossene Riegen regierender alter Herren aus der Nomenklatura die Balkone. Inzwischen regiert die aus der DDR stammende Angela Merkel über Ost und West, an den von westlicher Reform beeinflussten Begriff „Kanzlerin“ haben sich Teile des Ostens und sogar Merkels Partei, die CDU, gewöhnt. Ohne eine Frau im Amt gäbe es den Begriff nicht: Praxis und Reflexion haben einander beeinflusst und gemeinsam die Bezeichnung „Kanzlerin“ selbstverständlich werden lassen. So geschieht das.

Alle Kultur ist Konstruktion, das gilt auch für sämtliche gesellschaftlichen Vorstellungen von Kindern, Frauen, Männern. Sie wandeln sich, wie Moden und Technologien, ununterbrochen. Die kreativste aller Konstruktionen, die den Menschen zentral vom Tier unterscheidet, ist die Sprache. Sie ist Spiegel wie Produkt dessen, was wir von der Welt denken, behaupten – was wir gedacht haben, behauptet haben.

So bilden sich, bis hinein in die Grammatik, auch Machtstrukturen in der Sprache ab. Bereits der Satzbau europäischer Sprachen basiert auf der Idee einer Hierarchie von Subjekt und Objekt. In zahllosen Wörtern wie „Herrschaft“, „herrlich“ oder „dämlich“, die veraltete Konzepte konservieren, stecken implizite Aussagen, die den Sprechenden selten bewusst sind. Außerdem ist in unserer Sprache nahezu jeder Gegenstand geschlechtlich konnotiert: Die Sonne „ist“ weiblich, der Mond „ist“ männlich – all das ist nur ausgedacht und basiert auf Mythen oder anderen Konstrukten.

Sprache und Sprachgebrauch zu diskutieren, infrage zu stellen, neu zu erfinden, ist also spannend und weist sehr oft weiter. Doch löst sich mit „Ja, Herr Professorin!“ der statistische Status quo an den Hochschulen auf? Ach wo.

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